Neal Asher - Skinner-Der blaue Tod
vermutlich auf der Suche nach Sable Keech«, antwortete der Hüter.
»Oh, ich denke nicht, dass sie einen Groll hegen«, versetzte Tay und trat hinaus ins weiche grüne Licht.
»Hier scheint nun wirklich exzessiv hoher Schaden angerichtet worden zu sein.«
»Nicht von denen, denke ich. Es gehörte nicht zu ihrem Auftrag. Das da …« Tay deutete mit dem Daumen über die Schulter. »… wurde wahrscheinlich von ihrer Auftraggeberin angerichtet, sobald ihr klar wurde, dass sie mich nicht mehr in die Finger kriegen würde. Sie blickt auf eine lange Geschichte spektakulärer Wutanfälle zurück. Und inzwischen ist sie natürlich völlig verrückt geworden.«
Die Drohne blieb lange still, während Tay zu ihrem Museum hinüberging. Kurz bevor sie das Gebäude erreichte, summte die Drohne an ihr vorbei und zischte hinein. Als Tay ihr folgte, stellte sie angenehm überrascht fest, dass hier keinerlei Schäden vorlagen. Die Drohne schwebte jetzt über dem Kopf des Skinners, und gemeinsam boten sie eine finstere Erscheinung.
Tay starrte zur Drohne hinauf. »Kein Sprengstoff? Keine Bombenfalle?«, fragte sie.
»Keine«, antwortete die Drohne, jetzt wieder mit der Stimme von SKI 12.
»Das dachte ich mir. Ihre Arroganz und Selbstachtung erlauben ihr nicht, das hier zu zerstören, obwohl ihre Begeisterung dafür, anderen Schmerzen zuzufügen und Grauen einzuflößen, zu meiner Vernichtung hätte fuhren können – auch wenn sie das Ganze als Akt der Selbsterhaltung bezeichnet hätte.«
»Wer ist diese Auftraggeberin, von der Sie sprechen?«, fragte die Stimme des Hüters, der sich schnell zurückgemeldet hatte.
»Haben Sie das noch nicht herausgefunden?«
»Ich habe so eine Ahnung, aber ich würde die Antwort gern von Ihnen hören.«
»Rebecca Frisk«, sagte Tay und wandte den Blick zur Statue genau dieser Person. »Sie muss sich selbst entkernt und in einen anderen menschlichen Körper implantiert haben. Es setzt ein hohes Maß an tief gehender Neuprogrammierung voraus, dass die Person, die Frisk in den eigenen früheren Körper steckte, dann ihre Rolle entsprechend spielte – aber schließlich hatte Frisk ja Zugriff auf Prador-Sklaventechnik und unterlag keinerlei Einschränkung durch Gewissensbisse oder moralische Hemmungen. Sie muss es richtig genossen haben, den Verstand einer anderen zu brechen und ihren eigenen Zwecken dienstbar zu machen.«
»Die Frau, die wir für Frisk gehalten und die auf der Erde einer Gedankenlöschung unterzogen wurde, war also unschuldig«, stellte der Hüter fest.
Tay fragte sich, ob der Hüter ihr zuliebe mit Absicht begriffsstutzig tat. Vielleicht fanden KI es zuzeiten schwierig, die Intelligenz eines menschlichen Verstandes einzuschätzen, mit dem sie sprachen.
»Na ja, nachdem Sie nun das Offenkundige festgestellt haben: Was gedenken Sie in dieser Hinsicht zu unternehmen?«
»Zurzeit nichts. Ich übe hier keine wirkliche Jurisdiktion aus.«
Tay verzog das Gesicht und blickte finster zur Drohne hinauf. »Tun Sie mir einen Gefallen: Der durchschnittliche Polis-Bürger glaubt diesen Quatsch vielleicht, aber ich nicht.« Die eiserne Herzmuschel neigte sich der Historikerin zu und öffnete die Schale ein bisschen weiter – eine Handlung, die man nur als Lächeln deuten konnte. Als die Muschel wieder zuklappte, schlug der Hüter plötzlich einen ausgesprochen scharfen Ton an.
»SKI 12«, verlangte er, »Analyse!«
Wie Tay nur vermuten konnte, wollte die KI sie mithören lassen, denn es gab keinen anderen Grund, warum sie hörbar sprach; schließlich waren der Hüter und die Drohne in der Lage, sich viele tausend Male schneller zu unterhalten, als die menschliche Sprache das ermöglichte – sie konnten sogar zu einem Wesen verschmelzen.
»Die Trümmer, die ich analysiert habe, waren die eines systeminternen Prador-Frachters aus der Zeit nach dem Waffenstillstand. Frisk hat ihn wahrscheinlich mit einem kleinen taktischen Sprengsatz hochgejagt und ist unter dem Deckmantel dieser Explosion mit einer Rettungskapsel ausgestiegen«, erklärte die SKI.
»Olian Tay, was sucht sie Ihrer Meinung nach hier?«, wollte der Hüter wissen.
Tay brauchte einen Augenblick, um ihm zu folgen. Vielleicht war sie ja ein bisschen begriffsstutzig.
»Sie wollte Keech erledigen, war mein erster Gedanke«, antwortete sie. »Andererseits könnte sie aber auch nach ihrem Mann suchen oder einfach einer Laune gefolgt sein. Jemand wie sie ist nicht leicht zu durchschauen. Was sucht sie Ihrer Meinung nach
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