Neandermord
ich.
Dann fuhren wir los.
24. Kapitel
Auf dem Park-and-ride-Platz brüllte die Hitze. Es gab nicht das geringste Fleckchen Schatten. Nur wenige Autos standen auf dem Platz, schräg aufgereiht in ihren Parktaschen.
Kein Mensch war zu sehen; wenn uns die Polizei hier eine Falle stellte, ging sie sehr geschickt vor. Wahrscheinlich lauerten die Beamten dann unter den Autos.
Jutta nahm den Helm ab. Ich deutete auf die andere Seite.
»Die Straße geht da hinten weiter. Es ist eine kleine gerade Allee. Sie führt zum Eingang des Friedhofs. Dahinter kommt eine Kurve. Ein Stück weiter liegt dann auf der linken Seite der Parkplatz.«
»Kapiert.«
Ich sah auf die Uhr. Noch zwei Minuten.
»Mir gefällt immer noch nicht, dass du da allein hingehst. Ich würde doch lieber mitkommen.«
»Remi, wir haben das besprochen. Wenn dahinten die Polizei wartet, kriegen sie eben nur mich. Gegen mich können sie keine Anklage erheben, sie können mir noch nicht mal nachweisen, dass ich dir bei der Flucht geholfen habe.«
»Und wie kriege ich raus, dass dort die Polizei wartet? Hast du eine Trillerpfeife oder so was?«
»Schau einfach auf die Uhr. Wen auch immer ich dort treffe -ich werde in zwanzig Minuten wieder hier sein.«
»Und was soll ich tun, wenn du nach zwanzig Minuten nicht zurück bist? Dann wird man doch damit rechnen, dass ich nach dir suche. Und dann gehe ich als Nächster in die Falle.«
»Ich werde schon auf mich aufpassen.«
Wir setzten uns in Bewegung in Richtung der Stelle, wo die Allee begann. Die Bäume links und rechts der Straße hatten so dichte Kronen, dass sie sich über der schmalen Straße zusammenschlossen und einen hellgrünen Tunnel aus Licht und Schatten bildeten.
»Nimm wenigstens die hier«, sagte ich. Ich griff unter mein verschwitztes Jackett und wollte die Pistole herausziehen, doch Jutta hielt meinen Arm fest.
»Quatsch. Lass sie stecken, Remi.«
»Aber warum? Du musst dich doch verteidigen können.«
»Denk bitte mal nach. Wenn dahinten die Bullen stehen und sie finden bei mir eine illegale Waffe, liefere ich ihnen einen Grund, mich festzunehmen,«
»Was kann ich denn nur tun?«
»Schalte dein Handy auf Empfang. Ich melde mich vielleicht. Ansonsten komme ich einfach zurückspaziert. Halt dich abseits, damit man dich nicht gleich sieht, wenn man hier auf den Parkplatz kommt. Bis gleich.«
Sie nickte mir noch einmal zu, dann drehte sie sich um und ging zügig die Straße entlang. Ihre schmale Gestalt verschmolz nach und nach mit den Schatten, wurde immer kleiner und erreichte dann die Kurve, die zum Friedhof führte. Dort verschwand sie aus meinem Blickfeld.
*
Ich blieb in der Hitze zurück und durfte mal wieder nichts anderes tun als warten.
Jutta hatte recht gehabt, ich sollte mich verstecken. Aber wo?
Wenn ich mich in das Gebüsch am Rand des Parkplatzes schlug, würde jeder, der mich sah, sofort Verdacht schöpfen.
Der Friedhof weiter hinten wäre ein gutes Versteck.
Ich hatte mal in einem historischen Kriminalroman gelesen, dass früher, im Mittelalter, niemand auf einem Friedhof festgenommen werden durfte. Ob das immer noch galt? Dann wäre ich dort besser aufgehoben.
Aber was würde die Polizei dann tun?
Ich stellte mir vor, wie sie das Areal belagerte und ich, der gesuchte Verbrecher, gezwungen sein würde, auf dem Totenacker zu überleben. Wasser aus den Hähnen, unter denen die Gießkannen hingen. Nahrung musste von den Omis erbettelt werden, die zur Grabpflege kamen. Vielleicht lernte man ja auch eine nette Gärtnerin kennen …
Vielleicht galt es auch gar nicht für Friedhöfe, sondern für Kirchen. Na ja, die würde es dahinten sicher auch noch geben.
Ich ging ein paar Schritte aus der Hitze in den Schatten, wo die Alleestraße begann. Jutta war schon zwei Minuten weg. Und ich stand immer noch auf dem Präsentierteller. So ging das nicht. Ich musste von hier verschwinden.
Ich machte kehrt und marschierte schnurstracks über den Platz zum Bahnhof und erklomm den Bahnsteig. Ein paar Leute warteten auf den nächsten Zug. Ich stellte mich dezent in den Hintergrund und tat so, als würde ich den Fahrplan studieren. Ich hielt meinen Blick jedoch schräg und hatte so immer noch die Stelle im Auge, wo die Straße in den grünen Tunnel führte. Dort musste Jutta wieder auftauchen.
Ein Zug fuhr heran und verdeckte die Sicht. Die Leute stiegen ein. Ich blieb stehen. Es piepte rhythmisch, als sich die Türen schlossen. Die Bahn fuhr weiter und hinterließ leere Schienen,
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