Nebel über dem Fluss
Taxis zurück. »Wer weiß?«
Nancy wusste es. Sie hatte in unverwüstlichem Optimismus drei Tampons eingesteckt.
Das Taxi fuhr aus dem Park heraus und reihte sich in den Verkehr in der Derby Road ein. Sie näherten sich dem Canning Circus, als Nancy sich plötzlich vorbeugte und den Fahrer zu halten bat.
»Was ist los?«, fragte Dana. »Hast du etwas vergessen?«
»Nein.« Nancy öffnete die Tür auf ihrer Seite. »Ich will nur mal schnell bei der Polizei vorbeischauen.«
»Wozu das denn?«
»Unwichtig. Fahr du ruhig vor. Wir treffen uns im Hotel. Ich komme direkt hin. Bis gleich.«
Nancy schlug die Wagentür zu und wartete, bis das Taxi wieder anfuhr. Durch die Scheibe sah sie noch Danas verblüfftes Gesicht.
Der Beamte am Schalter, der Resnick angerufen und ihm mitgeteilt hatte, dass Besuch auf ihn warte, war deutlich erheitert gewesen. Erst als Nancy Phelan in seinen Dienstraum trat, verstand Resnick, warum.
»Inspector –«
»Ja?«
»Ich war heute schon einmal hier …«
»Ich erinnere mich.« Resnick lächelte. »Sie waren nur etwas anders gekleidet.«
Nancy lächelte zurück. Auf dem Weg die Treppe hinauf hatte sie den geliehenen roten Mantel aufgeknöpft, der ihr jetzt lose von den Schultern fiel.
»Weihnachtsabend, Sie wissen ja. Da wird überall gefeiert.«
Während Kevin Naylor die Stellung gehalten hatte, war Resnick nach Hause gefahren, hatte die Katzen gefüttert, seinen guten Anzug ausgebürstet, ein weißes Hemd gebügelt, seine Schuhe geputzt und ein paar Pestoreste von seiner Krawatte geschabt. Der einzige Abend im Jahr, an dem er sich bemühte, einen guten Eindruck zu machen.
»Ich habe mich auch in Schale geworfen.«
»Oh, entschuldigen Sie«, erwiderte Nancy, »das war mir gar nicht aufgefallen.«
»Na ja … und weswegen sind Sie –?«
»Es geht um heute Nachmittag.«
»Ja?«
»Wie ich schon sagte, es ist eigentlich nichts passiert, ich meine,
mir
ist nichts passiert. Es war kein großes Trauma oder so was.«
»Aber es beschäftigt Sie.«
»Meinen Sie?«
Resnick zog die massigen Schultern hoch. »Sie sind hier.«
»Ja, aber nicht meinetwegen. Es geht mir um ihn.«
»Um ihn?«
»James. Gary James.«
»Was ist mit ihm?«
Nancy trat nervös von einem Fuß auf den anderen.
»Ich weiß selbst nicht genau. Wahrscheinlich – es war eigentlich nur ein Gedanke, so im Vorbeigehen, ich meine das wörtlich, als ich gerade draußen vorbeikam … Ich will nicht, dass er meinetwegen über Weihnachten in einer Zelle sitzt.«
Resnick wusste, dass sich der Sozialarbeiter nach der ärztlichen Untersuchung noch bei Lynn Kellogg gemeldet hatte. Karls Verletzungen stünden nicht unbedingt in Widerspruch mit der Erklärung der Mutter, die angegeben hatte, dass er blindlings gegen eine Tür gerannt sei. Man werde die Familie unter Beobachtung halten, und wenn es neuerlichen Anlass zur Sorge gebe …
Gary James war vor etwas mehr als einer halben Stunde auf freien Fuß gesetzt worden, nachdem man ihn verwarnt und darauf hingewiesen hatte, dass möglicherweise noch Klage gegen ihn erhoben werde.
»Sie brauchen sich kein Kopfzerbrechen darüber zu machen«, sagte Resnick. »Wir haben ihn laufen lassen.«
Nancy lächelte herzerwärmend. »Das war’s dann?«
»Nicht unbedingt.«
»Aber –«
»Es gibt da noch einige Fragen.«
Resnick ging zur Tür, und sie folgte ihm über den abgewetzten Teppich, der das Klappern ihrer Absätze dämpfte.
»Dann brauchen Sie mich also nicht mehr? Als Zeugin bei Gericht oder so?«
»Ich denke nicht, nein.«
In der Tür wirkte sie aus irgendeinem Grund größer, ihr Gesicht nur wenige Zentimeter von seinem entfernt.
»Na, dann fröhliche Weihnachten«, sagte Nancy, und einen absurden Moment lang glaubte Resnick, sie würde den Abstand zwischen ihnen mit einem Kuss aufheben.
»Fröhliche Weihnachten«, gab Resnick zurück, als sie durch den Korridor davonging. »Und amüsieren Sie sich gut heute Abend.«
An der Treppe hob Nancy die Hand und winkte. »Sie auch«, erwiderte sie.
Resnick ging wieder in sein Büro und machte die Lichter aus.
7
Es funktionierte folgendermaßen: Große Gesellschaften bekamen einen eigenen Saal, kleineren Gruppen wurde empfohlen, sich einen Raum mit anderen zu teilen. Das Konzept war das gleiche – lange Tafeln rund um eine Tanzfläche in der Mitte, ein DJ im cremefarbenen Anzug, der irgendwann zwischen Abba und Rolf Harris’ Gruselversion von ›Stairway to Heaven‹ und Elvis’ ›Blue
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