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Nebelschleier

Titel: Nebelschleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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fürchtete, sonst die nächsten Tage nicht durchstehen zu können. Wenn er erst einmal unter der Erde war, würde es vielleicht einfacher.
    »Ach Papa …«, seufzte sie in einer Mischung aus Trotz und Verzweiflung, und mit einem Mal wusste sie, wer ihr jetzt eine echte Hilfe sein konnte. Als sie vorhin mit dem Wagen an Rosis Bauernhof vorbeigekommen war, hatte sie ihn aus der Ferne gesehen, und für einen Moment hatte sie sich um 20 Jahre zurückversetzt gefühlt. Was für ein Zufall, dass er gerade an diesem Tag wieder in ihrem Leben auftauchte! Sie tupfte sich entschlossen die Tränen aus dem Gesicht und stand auf.
    »Ich bin in ein paar Minuten wieder da!«, sagte sie zu der Mitarbeiterin an der Rezeption und verließ das Hotel.

     
    Für den Rückweg zum Dorf nahm Angermüller die Straße. Bisher war er in Niederengbach auf niemanden gestoßen, der dem Steinleins Bernhard eine Träne nachweinte – bis auf Rosi vielleicht, die durch seinen plötzlichen und dazu noch gewaltsamen Tod völlig aus der Fassung geraten war, obwohl auch sie nicht viel Gutes von ihrem Vater erfahren hatte. Aber vielleicht war dieser überwältigende Kummer normal, wenn ein Elternteil starb, und die schlechten Erinnerungen verblassten in diesem Augenblick. Er hatte die Erfahrung nicht, denn beim Tod seines eigenen Vaters war Angermüller noch ein Kind und viel zu jung, um überhaupt zu begreifen, was geschehen war.
    Tief in seine Gedanken versunken setzte Georg Angermüller Schritt vor Schritt. Bis auf vereinzeltes Vogelzwitschern war es ruhig im Park. Ein ganz sanfter Wind brachte ab und zu ein Ahornblatt zu Fall, das dann lautlos auf die Straße schwebte. Etwas entfernt zu seiner Linken schimmerte der Schwanensee und in seiner ruhigen Wasserfläche spiegelte sich das Grün der Bäume mit üppigen Tupfern von herbstlichem Gelb und Orange.
    »Mensch Schorsch! Hab ich dich endlich gefunden!«
    »Marga! Was ist denn los?«
    »Hach, ich bin ganz aus der Puste! Erst mal wollt die Mamma wissen, ob du heut zum Abendessen da bist.«
    »Warum hast du mich denn nicht übers Handy angerufen?«
    »Ich wusst nimmer, wo ich mir dei Nummer aufgschrieben hab, und vorhin war die Paola bei uns. Der geht’s gar net gut wecha der Gschicht mit ihrem Vater.«
    Angermüller horchte auf.
    »Die Paola? Was wollte sie denn?«
    »Die hat wohl irgendwie mitgekriegt, dass du in Niederengbach bist, und ich soll dich von ihr grüßen, und sie fänd’s schön, wenn du bald emal bei ihr vorbeischaust.«
    »Ach ja?«
    Schon Ewigkeiten war es her, dass er Paola allein getroffen hatte. Wie hatte Johannes vorhin gesagt: Ihr wart ein richtig gutes Paar. Paola war seine erste feste Freundin gewesen. Damals gingen sie noch zur Schule, und als sich ihre Zukunftspläne langsam konkretisierten, ging ihre Beziehung auseinander – nicht zuletzt, weil für Paolas Vater feststand, dass sie in Niederengbach und dem Familienbetrieb zu bleiben hatte. Abgesehen davon, dass er ihn wahrscheinlich ohnehin nie als Schwiegersohn akzeptiert hätte. Ihm fiel ein, dass auch seine Mutter damals Vorbehalte gegen ›die Italienerin‹ durchblicken ließ. Bei Georgs seltenen Besuchen in den letzten Jahren in Niederengbach hatte er Paola höchstens aus der Ferne gesehen oder war ihr als Gast zusammen mit seiner Familie in ihrem Restaurant begegnet, wo man ein paar Nettigkeiten tauschte. Und jetzt, da das mit ihrem Vater passiert war, wollte sie ihn gern sehen. Natürlich würde er ihrer Bitte Folge leisten.
    »Was is denn nu? Biste heut Abend zum Essen daheim? Die Mamma würd Ripple mit Kraut machen«, drängelte Marga.
    »Ich glaub nicht.«
    »Wieso? Wo gehst’n hin?«
    »Ich bin bei den Sturms eingeladen.«
    »Schade! Fährst du denn morchn mit mir emal nach Coburg? Ich brauch doch unbedingt noch was zum Anziehen für Sonntag!«
    »Das lässt sich bestimmt machen! Ich muss ja endlich meine Bratwurscht essen – mindestens eine!«
    Marga freute sich.
    »Und, gehste jetzt gleich mal zur Paola?«
    »Mal schaun.«
    Georg war neugieriger, als er zugeben wollte, und fragte sich, was Paola von ihm wollte. Vielleicht hatte sie ja interessante Hinweise, was den Tod ihres Vaters anbetraf. Er sah keinen Grund, seinen Besuch bei ihr aufzuschieben, und machte sich gleich auf den Weg. Außerdem, musste er zugeben, verspürte er auch eine gewisse Vorfreude, denn es hatte schon seinen Reiz, nach so langer Zeit auf die Frau zu treffen, die einmal seine Jugendliebe gewesen war.

     
    Schmuck sah Steinleins

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