Nebelsphäre - haltlos (German Edition)
– auch wenn der Butler mehr als nur erstaunt war, als Lenir zum ersten Mal im Leben die Küche nicht nur zum Plündern betrat.
Die Flugstunden an diesem Wochenende waren effektiv gewesen. Bei einem ihrer Versuche hatte Victoria bemerkt, dass es einen Raum in Jaromirs Geist gab, in dem das Fliegen gesteuert wurde. Sobald sie diesen Raum aufsuchte, hatte sie keine Probleme mehr, seine Manöver vorauszuahnen und konnte sich so deutlich leichter oben halten. Nichtsdestotrotz fühlte sie sich hoch oben in der Luft noch immer nicht ganz sicher, machte aber gute Fortschritte.
Wie so häufig verging das Wochenende viel zu schnell und dann war auch schon wieder Montag. Victoria hatte überhaupt keine Lust zur Uni zu fahren und dachte ernsthaft darüber nach, noch ein paar Tage blau zu machen. Aber es waren ja nur noch zwei Wochen, dann begannen die zwei Klausurwochen und danach war die Vorlesungszeit für dieses Semester auch schon wieder zu Ende. Nur noch ein Monat. Das war so langsam echt absehbar und außerdem wollte sie sich das Schwänzen lieber für die Tage aufheben, an denen es mit Jaromir an der Uni gar nicht mehr ging, was laut Lenir durchaus noch passieren konnte.
Sie seufzte tief, als sie mit Lennard in den Bus einstieg.
Der grinste nur. „Auch keinen Bock?“
Sie schüttelte lustlos den Kopf. „Nähh, nicht wirklich! Aber was hilft es denn schon. Irgendwie bringe ich die nächsten Wochen auch noch hinter mich. Nur gut, dass ich nicht auch noch Zeit aufs Lernen für die Klausuren verplempern muss – die kann ich echt besser nutzen.“
Lenir nickte. „Weißt du eigentlich schon, was du in den Semesterferien machst?“
Sie blickte ihn verständnislos an. Lenir wusste doch, dass sie bei Jaromir sein würde.
Er grinste. „Ich meine: Weißt du schon, was du deinen Eltern erzählen wirst? Normalerweise bist du doch in den Semesterferien in Glückstadt, oder?“
„Shit! Daran habe ich noch gar nicht gedacht! ... Oh nee, jetzt muss ich mir schon wieder eine Ausrede einfallen lassen und meine Mutter wird ganz sicher nicht davon begeistert sein – egal, was ich mir ausdenke!“ Sie seufzte. „Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Hast du vielleicht ‘ne Idee?“
Aber ihr Freund schüttelte den Kopf. „Leider nicht. Aber wir haben ja noch ein paar Tage bis dahin, da fällt uns bestimmt noch was ein.“
Victoria schnaubte nur mutlos und verfiel in dumpfes Brüten.
Als der Bus endlich an der Uni hielt, hatte sie richtig schlechte Laune und natürlich immer noch keine Idee. Die Vorlesungen würden den ganzen Tag totlangweilig sein, irgendwelche Mädels in ihrer Umgebung schwärmten immer noch für Lennard und jetzt musste sie auch noch darüber nachdenken, welche Lüge sie ihrer Familie auftischen konnte, warum sie in den Semesterferien nicht nach Hause kam. „Das ist doch alles Mist! Ich habe echt andere Probleme… und dann ist auch noch Montag. So ’n Scheiß!“
„Ach Kleines“ , versuchte Jaromir sie zu beruhigen, „wir finden schon einen guten Grund. Vielleicht eine Schacholympiade oder einen Workshop – irgendwas Plausibles wird uns schon einfallen. Und eventuell schaffen wir es ja auch, dass du wenigstens für einen Tag bei deinen Eltern vorbeischauen kannst. Ich meine, jetzt wo Lenir das Tor bewacht, bin ich nicht mehr so ortsgebunden und könnte auch in Glückstadt in deiner Nähe bleiben.“
Das beruhigte Victoria tatsächlich ein wenig.
Die Informatikvorlesung lief trotzdem an ihr vorbei. Das war aber eigentlich auch egal, da Jaromir ihr die Inhalte eh schon beigebracht hatte.
Bei Analysis traf sie dann wieder auf ihre Freunde. Als sie Kerstin sah, hatte sie ihre schlechte Laune schlagartig vergessen. „Was ist dir denn passiert?“, fragte sie mitfühlend, obwohl sie den Grund schon in den Gedanken ihrer Freundin sehen konnte.
Kerstin war blass und schüttelte geschockt den Kopf. „Ach, … Andre, der Freund meiner Mutter, hat vor einer Stunde angerufen. Meine Mutter liegt in Plymouth im Krankenhaus.“
Victoria war ernsthaft bestürzt. „Warum das denn? Hatte sie einen Unfall?“
„Nein.“ Kerstin schüttelte noch einmal niedergeschlagen den Kopf. „Anscheinend hat sie eine Blinddarmentzündung. Sie wird gerade operiert… Sie soll völlig aufgelöst gewesen sein. Sie kennt Andre ja noch nicht so lange und dann das fremde Land, dessen Sprache sie nicht versteht.“
Victoria nickte. „Und jetzt fühlt sie sich so richtig allein und verlassen, oder?“
„Ja
Weitere Kostenlose Bücher