Nebelsphäre - haltlos (German Edition)
nächsten Nachmittag war klar, dass es bei Antje tatsächlich zu einer Entzündung gekommen war, und sie nun auf keinen Fall kurzfristig nach Deutschland zurückkonnte. Das Ganze würde sich sicher noch eine Weile hinziehen.
Kerstins Mutter war totunglücklich und Andre fragte vorsichtig, ob Kerstin sich eventuell für ein paar Tage frei machen könne, um ihre Mutter aufzumuntern. Er wollte ihr den Flug und die Unterkunft bezahlen – offenbar hatte er genug Geld und ebenso offensichtlich war er wirklich an Antje interessiert. Beides erleichterte Kerstin sehr. Jetzt war sie sich sicher, dass ihre Mutter jemanden an ihrer Seite hatte, der für sie da war, egal was passierte. Am Mittwoch machte sie sich an die Reisevorbereitungen und nahm dankbar Victorias kopierte Unterlagen an, damit sie unterwegs lernen konnte. Sie organisierte sich eine Vertretung für ihr Pferd und packte ihre Sachen.
Am Donnerstag flog sie dann mit einer kleinen Maschine direkt von Kiel nach Plymouth. Da außer ihr niemand an Bord war, dämmerte ihr so langsam, dass Andre eine Privatmaschine gechartert hatte. Geldsorgen konnte der Gute also wirklich nicht haben. Sie überlegte, ob sie ein schlechtes Gewissen haben musste, weil der Freund ihrer Mutter alles so bereitwillig bezahlte, entschied sich dann aber für «nein», sie hatte ihn schließlich um nichts gebeten. Aber komisch war es doch…
Als sie in Plymouth landete, stand schon ein Taxi bereit, dass sie zum Krankenhaus brachte. Andre hatte sich um alles gekümmert und erwartete sie, als das Taxi vor dem Krankenhaus stoppte.
Er sah müde aus, lächelte sie jedoch erleichtert an: „Wie schön, dass du es geschafft hast, Kerstin! Ich weiß ja, wie das mit dem Studieren ist. Gerade vor den Klausuren möchte man eigentlich nicht gestört werden, sondern sich in Ruhe vorbereiten. Aber Antje ist total am Ende und wird sich riesig freuen, dass du da bist.“
Er nahm ihr galant die schwere Reisetasche ab und führte sie zum Zimmer ihrer Mutter.
Antje brach in Tränen aus, als ihre Tochter durch die Tür kam.
Andre hielt sich diskret im Hintergrund und ließ den beiden reichlich Zeit zur Begrüßung.
Nach ein paar Minuten fragte er, ober er Kerstin nicht etwas aus der Cafeteria bringen könne und verließ kurz darauf das Zimmer.
Glücklicherweise ging es Antje heute schon etwas besser. Die Antibiotika schlugen an und die Schmerzmittel halfen. Jetzt wo auch noch ihre Tochter da war, fühlte sie sich fast schon wieder gut.
Antje erzählte Kerstin, was sie mit Andre in den ersten Tagen ihrer Reise alles gesehen und unternommen hatte. Er trug sie wie auf Händen, anders konnte man es wirklich nicht ausdrücken. „Nur dann kamen plötzlich diese Bauchschmerzen. Und die wollten einfach nicht weggehen, egal was ich auch gemacht habe. Ich war völlig verzweifelt, aber ich wollte doch niemandem zur Last fallen und schon gar nicht Andre mit ewigem Wehklagen verschrecken. Er ist einfach sooo…“ Jetzt strahlte Antje ihre Tochter verliebt an.
Kerstin lachte. „Du bist ja richtig verschossen in ihn!“
„Ich fürchte ja… Und gerade deshalb konnte ich doch nicht ständig über Bauchschmerzen jammern, oder gar zum Arzt rennen.“
Kerstin schüttelte den Kopf. „Wenn Andre nicht so beharrlich wäre, könntest du jetzt auch tot sein. So ein Blinddarmdurchbruch kann echt gefährlich werden.“
Jetzt schaute ihre Mutter beschämt drein. „Ja, ich weiß, aber hier verstehe ich die Ärzte nicht. Wenn die mich irgendwas fragen, bin ich hilflos. Also muss Andre überall mit mir hingehen. Das ist mir wirklich unangenehm – ich mochte ihn doch nicht vergraulen.“
Kerstin lächelte. „Ganz offensichtlich hast du das damit nicht geschafft!“
Genau in diesem Moment klopfte es an der Tür und nach einem kurzen „Herein!“ von Antje trat jemand durch die Tür.
Kerstins Mutter flüsterte ihrer Tochter zu: „Oh, das ist Dr. Custos Nebulae. Er ist der Chefarzt hier, recht menschenscheu, spricht aber Deutsch.“
Als Kerstin sich lächelnd zu dem Neuankömmling umdrehte, stockte ihr der Atem.
„Wie unheimlich!“ , dachte Kerstin geschockt und sah genauer hin.
Dr. Custos Nebulae hatte eine Halbglatze, war etwas beleibt und Mitte Fünfzig. Er hatte freundliche, grüne Augen, die sie durchdringend ansahen. Er schien ein gemütlicher Typ zu sein, aber seine Ausstrahlung war einfach nur furchterregend.
Urplötzlich fühlte sie sich in den Geometriehörsaal nach Kiel versetzt und sah sich Professor
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