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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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sind doch total realitätsfremd«, stieß er hervor. »Die waren vor Ewigkeiten das letzte Mal auf der Straße.«
    »Die in Växjö waren sehr kompetent«, zischte Tilda zurück.
    Sie fühlte sich wie auf der hintersten Sitzbank im Einsatzwagen – man sollte den Mund halten und die Älteren reden lassen. Tilda hatte das schon immer gehasst.
    Holmblad sah sie an und sagte:
    »Wichtig ist, dass Sie die großen Entfernungen auf der Insel mit einkalkulieren, bevor Sie sich alleine in eine kritische Situation begeben.«
    Sie nickte.
    »Ich hoffe sehr, dass ich mit allem zurechtkommen werde.«
    Der Polizeichef öffnete erneut den Mund, offensichtlich war sein Vortrag noch nicht beendet, aber da klingelte das Telefon.
    »Ich gehe ran«, erklärte er und war mit wenigen Schritten am Apparat. »Das könnte Kalmar sein.«
    Er hob den Hörer ab.
    »Polizeirevier Marnäs. Holmblad.«
    Er hörte konzentriert zu.
    »Wo?«, fragte er.
    Dann schwieg er wieder.
    »In Ordnung«, erwiderte er schließlich. »Wir werden hinfahren.«
    Er legte den Hörer auf.
    »Das war Borgholm. Der Notrufzentrale wurde ein Todesfall auf Nordöland gemeldet.«
    Majner erhob sich von dem Schreibtisch, an dem er die ganze Zeit gesessen hatte.
    »Hier in der Nähe?«
    »Bei den Leuchttürmen von Åludden«, gab Holmblad weiter. »Weiß jemand von Ihnen, wo die stehen?«
    »Åludden liegt im Süden«, sagte Majner. »So ungefähr sieben oder acht Kilometer von hier.«
    »Gut, dann nehmen wir den Wagen«, bestimmte der Polizeichef. »Der Notarztwagen ist auch unterwegs … es handelt sich offenbar um Tod durch Ertrinken.«

WINTER 1868
    Mit der Fertigstellung der beiden Leuchttürme waren auch die Ge fahren vor Åludden gebannt. Für die Schiffe und für die Menschen dort. Das glaubten zumindest die Männer, die sie gebaut hatten. Sie waren der Ansicht, dass ihr Leben an der Küste nun für alle Zukunft gesichert und geschützt sei. Die Frauen aber wussten, dass es nicht so war.
    Der Tod war näher als früher, er kam in die Häuser.
    Auf dem Dachboden der alten Scheune steht auf einem Balken ein hastig eingeritzter Frauenname: GELIEBTE CAROLINA 1868 . Carolina ist schon seit über hundertzwanzig Jahren tot, aber sie hat mir durch die Wände zugeflüstert, wie es damals zugegangen ist auf Åludden – in der sogenannten guten, alten Zeit.
    Mirja Rambe
    Der Hof ist so groß, so riesig. Kerstin sucht in allen Räumen nach Carolina, aber es gibt so viele Schlupfwinkel. Zu viele Schlupfwinkel, zu viele Räume.
    Und ein Nebelsturm zieht auf, die Luft ist schwer und drückend. Kerstin weiß, dass sie nicht viel Zeit haben.
    Der Hof ist solide gebaut und wird von dem Sturm nicht beschädigt werden, die Frage ist, wie die Menschen ihn überstehen. Wenn ein Nebelsturm kommt, versammeln sich alle um die Kamine wie verirrte Vögel und warten, dass er vorbeizieht.
    Dem zu milden Sommer mit schlechter Ernte ist ein schwerer Winter gefolgt. In der ersten Februarwoche ist es so eiskalt, dassniemand freiwillig das Haus verlässt. Aber die Leuchtturmwärter und Schmiede haben Wachdienst und müssen zu den Leuchttürmen hinunter. An diesem Morgen befinden sich alle gesunden Männer, außer dem Leuchtturmmeister Karlsson, bei den Leuchttürmen, um sie für den aufziehenden Schneesturm wetterfest zu machen.
    Die Frauen sind auf dem Hof geblieben, nur Carolina ist nirgendwo zu finden. Kerstin hat in allen Zimmern in beiden Stockwerken nachgesehen und war sogar auf dem Dachboden. Sie kann mit keinem der anderen Mädchen oder gar mit den Ehefrauen der Leuchtturmwärter sprechen, weil niemand von Carolinas Zustand weiß. Einige von ihnen ahnen es vielleicht, aber keiner weiß es genau.
    Carolina ist achtzehn Jahre alt, zwei Jahre jünger als Kerstin. Beide sind beim Leuchtturmmeister Sven Karlsson angestellt. Kerstin ist die Nachdenklichere und Vorsichtigere von den beiden. Carolina ist lebhafter und vertrauensseliger – fast so abenteuerlustig wie Kerstins große Schwester Fina, die letztes Jahr nach Amerika ausgewandert ist. Dadurch kommt sie aber auch häufiger in Schwierigkeiten. In den vergangenen Wochen wuchsen ihr die Schwierigkeiten über den Kopf und schließlich hatte sie sich Kerstin gegenüber anvertraut.
    Wenn Carolina den Hof verlassen hat, um sich im Wald oder im Moor zu verstecken, würde Kerstin sie niemals finden. Carolina weiß, dass ein Nebelsturm aufzog – ist sie so verzweifelt?
    Kerstin verlässt das Wohngebäude. Über den schneebedeckten

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