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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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Innenhof fegt der Wind und wirbelt zwischen den Häusern umher. Der Nebelsturm nähert sich unaufhaltsam, dies ist nur eine Vorahnung.
    Sie hört einen Schrei, der aber sofort wieder verstummt. Das war nicht der Wind.
    Das war der Schrei einer Frau.
    Die Böen zerren an Kerstins Kopftuch und Schürze, sie muss sich gegen den Wind stemmen. Mit aller Kraft schiebt sie die Tür zur Scheune auf und geht hinein.
    Die Kühe brüllen und bewegen sich unruhig hin und her, während sie im Stall nach Carolina sucht. Aber dort ist niemand. Dann klettert sie die steile Leiter zum Heuboden hinauf. Die Luft dort oben ist eiskalt.
    Vor dem großen Heuhaufen an der Wand rührt sich etwas. Zaghafte Bewegungen in Staub und Schatten.
    Es ist Carolina. Sie liegt zusammengekrümmt auf dem Heuboden, nur bedeckt mit einer schmutzigen Wolldecke. Ihr Atem ist flach und pfeift, beschämt sieht sie zu Kerstin hoch.
    »Kerstin … ich glaube, es ist passiert«, stöhnt sie. »Ich glaube, es ist rausgekommen.«
    Angsterfüllt kommt Kerstin näher und kniet sich hin.
    »Ist da was?«, flüstert Carolina. »Oder ist es nur Blut?«
    Die Decke ist klebrig und feucht. Kerstin hebt eine Ecke hoch und nickt.
    »Doch«, beruhigt sie ihre Freundin. »Es ist draußen.«
    »Lebt es?«
    »Nein … es ist zu früh gekommen.«
    Kerstin beugt sich über das bleiche Gesicht.
    »Wie geht es dir?«
    Carolinas Blick flackert.
    »Es ist ungetauft gestorben«, murmelt sie vor sich hin. »Wir müssen … wir müssen es in geweihter Erde begraben, damit es kein Wiedergänger wird … Es wird verdammt sein, wenn wir es nicht begraben.«
    »Das geht nicht«, widerspricht Kerstin. »Ein Nebelsturm zieht auf, wir kommen um, wenn wir uns hinauswagen.«
    »Wir müssen es verstecken.« Carolinas Stimme ist nur noch ein Flüstern, und sie ringt nach Luft. »Sie glauben doch sonst alle, ich hätte Ehebruch begangen und versucht, es abzutreiben.«
    »Kümmere dich nicht darum, was die anderen denken.« Kerstin legt die Hand auf Carolinas heiße Stirn und sagt leise: »Ich habe einen Brief von meiner Schwester bekommen. Sie will, dass ich zu ihr nach Amerika komme, nach Chicago.«
    Carolina scheint ihr gar nicht zuzuhören, sie atmet nur schwach. Aber Kerstin erzählt weiter:
    »Ich werde nach New York fahren und von dort weiter nach Chicago. Sie hat für mein Ticket in Göteborg Geld hinterlegt.« Sie beugt sich noch tiefer zu ihrer Freundin hinunter. »Und du kannst auch mitkommen, Carolina. Willst du das?«
    Carolina antwortet ihr nicht. Sie ringt auch nicht mehr nach Luft, das Leben strömt aus ihr heraus, kaum hörbar.
    Dann ist es vorbei, und sie liegt reglos und mit aufgerissenen Augen im Stroh. Kein Geräusch ist mehr in der Scheune zu hören.
    »Ich komme gleich wieder«, flüstert Kerstin mit tränenerstickter Stimme.
    Sie wickelt das, was zwischen Carolinas Beinen im Heu liegt, in die Wolldecke und versucht, die Blutspuren und die Flecken vom Fruchtwasser zu verbergen.
    Mit dem Knäuel unter dem Arm verlässt sie die Scheune und kämpft sich, dicht an die Scheunenwand gedrückt, über den Innenhof zurück zum Wohnhaus. Der Wind hat an Stärke zugenommen. Sie geht geradewegs hinauf in ihr kleines Mädchenzimmer und packt Carolinas und ihre Habseligkeiten zusammen. Dann zieht sie sich eine Lage Kleidungsstücke über die nächste, damit sie für die harte Wanderung gerüstet ist, die ihr bevorsteht, wenn erst einmal der Sturm vorübergezogen ist.
    Anschließend geht Kerstin, ohne zu zögern, hinunter in den großen Saal, in dem die Öllampen und der Kachelofen eine behagliche Wärme und ein gemütliches Licht in die Winterdun kelheit strahlen. Der Leuchtturmmeister Sven Karlsson sitzt in einem Lehnstuhl am Esstisch, der in der Mitte des Raumes steht. Sein dicker Bauch spannt sich prall unter seiner schwarzen Uniform.
    Als königlicher Bediensteter gehört Karlsson zu den Privilegierten der Gemeinde. Ihm steht fast die Hälfte des Hofes zu seiner eigenen Verfügung zu, und eine eigene Bankreihe in der Kirche von Rörby ist für ihn reserviert. Neben ihm thront seineEhefrau Anna in einem Lehnstuhl. Einige der Hausangestellten halten sich im hinteren Teil des Raumes auf und warten darauf, dass der Sturm vorüberzieht. In einer dunklen Ecke kauert Alt-Sara, die aus einem Armenhaus stammt und für deren Wohnrecht bei sich Karlsson auf einer Auktion eine sehr geringe Summe geboten hat.
    »Wo hat sie sich aufgehalten?«, fragt die Dame des Hauses, als Kerstin den Raum

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