Nebeltod auf Norderney
Sohn.
»Einverstanden, ich schreibe nur noch auf, an wen der Bestatter eine Trauerkarte mit einer Einladung schicken soll«, meinte Albert und bediente den Computer, während sich Kevin über die Photokiste hermachte und nach Bildern der Mama durchwühlte. Er legte sie zusammen, um ein Album anzulegen.
Gegen ein Uhr stiegen sie in den BMW und fuhren zum Elisenbrunnen und verzehrten dort bei Zampoli eine herrliche Pizza. Anschließend fuhren sie wieder zum Schwimmbad am Hangeweiher. Kevin traf seine Freunde und spielte mit ihnen Ball. Der Junge hatte viel von der Mama. Das schwarze Haar und die Locken erinnerten an Carmen. Kevin besaß zusätzlich einen scharfen Verstand. Er konnte sich selbst oft stundenlang beschäftigen.
So auch nach dem Besuch des Schwimmbades, als sein Vater die Zeit für gekommen hielt, einige Kolleginnen und Kollegen seiner Frau privat und zum Teil im Klinikum anzurufen, um ihnen mitzuteilen, dass sie einem tödlichen Unfall zum Opfer gefallen war.
Am Montag, als Kevin im Kindergarten war, fuhr Albert Spatfeld zum Klinikum und meldete seine Frau ab. Er benachrichtigte die Krankenkasse, sprach bei der Bank vor und brachte die Wäsche und Kleidung seiner Frau zu der Sammelstelle des deutschen Roten Kreuzes. Er wollte nichts mehr von ihr im Hause haben, was an sieerinnerte. Er trennte sich von ihrem Schmuck und verkaufte ihn an einen Trödler. Abends vernichtete er, wenn sein Sohn schlief, die Briefe, die sie aufbewahrt hatte. Er schritt allerdings nicht ein, als sein Sohn ein Album von der Mama erstellte. Er half ihm sogar dabei.
Albert Spatfeld fieberte der Beisetzung entgegen. Das Friedhofsamt verkaufte ihm eine Grabstelle auf dem Nordfriedhof in der Nähe einer Baumgruppe, die sich idyllisch für Friedhofsbesucher ausmachte.
Tagtäglich bekam er Besuch von Trauergästen, die ihm ihr Beileid aussprachen. Es waren zumeist Bekannte seiner Frau. Er selbst hatte wenig Kontakt zu Gleichgesinnten gehabt. Das lag schon daran, dass er am Kindergarten und auch in den Märkten fast immer auf Frauen traf. Auch in der Nachbarschaft wohnten meist kinderlose Ehepaare, die beide einer Arbeit nachgingen.
Am Tage der Beerdigung zogen tief hängende Wolken von der Eifel heran und brachten ergiebige Regenschauer. Albert Spatfeld und Kevin trugen leichte, blaue Regenmäntel und wirkten blass und müde, als sie sich wie Fremde in der ersten Bank der Kapelle niederließen. Die Bänke füllten sich. Der Küster verteilte noch Stühle.
Der Sarg mit der toten Carmen Spatfeld stand in einem Meer von Kränzen und Gebinden. Die Orgel spielte leise und dezent, als der Pastor mit zwei Messdienern erschien. Die Trauergäste hatten Tränen in den Augen, als sie den blassen Jungen sahen, der seine Mama durch einen tragischen Unfall verloren hatte. Sie wussten, dass sie den kleinen Kevin sehr geliebt hatte, den sein Vater allerdings großzog. Ihr Mann war studierter Maler und nicht sehr erfolgreich im Beruf. Ihn kannten sie kaum.
Als die Orgel verstummte, richtete Pfarrer Drescher seine Worte an den Witwer und den Sohn und hielt eine bewegende Trauerrede.
Die Trauergäste sprachen das Gebet. Im Anschluss daran spielte die Orgel, und die Trauergäste sangen: »So nimm den meine Hände …«
Während die Sargträger die Kapelle betraten und die behandschuhten Hände in die Griffe des Sarges steckten, ließ der Küster ander Orgel ein volles Crescendo erschallen. Der Bestatter und sein Gehilfe trugen die Kränze und Gebinde nach draußen auf den Leichenkarren.
Albert Spatfeld folgte mit seinem Sohn dem Pfarrer nach draußen. Sie trugen Rosensträuße in den Händen und weinten. Die Trauergäste verließen die Kapelle und formierten sich zu einem Zug, der sich in einem gemächlichen Tempo dem Grab entgegenbewegte. Der Pfarrer folgte mit seinen Messdienern dem Gefährt mit dem blumengeschmückten Sarg, den die Sargträger, alte Männer mit verlebten Gesichtern, begleiteten.
Der nasse Wind fegte über die Friedhofswege, peitschte Trauerlinden, Tannen und Lebensbäume. Er spielte mit den Röcken und Mantelschößen der Besucher. Tapfer hielt Kevin durch. Seine Mama glaubte er schon beim lieben Gott. Er erschauderte, als er das mit Tannengrün ausgelegte Erdloch sah. Er drückte die Hand seines Vaters.
»Durchhalten, bald ist es geschafft«, flüsterte Albert ihm zu. Er blickte in die vielen fremden Gesichter.
Die Friedhofsbesucher bildeten einen Halbkreis um das Grab. Die alten Männer hoben den Sarg vom Gefährt. Der
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