Nebeltod auf Norderney
sonnten sich am FKK-Strand. Sie tranken Kaffee auf der Terrasse der »Oase«, wo sich Phillip Matulla aus Dankbarkeit über seinen Erfolg auf Bitten seiner Freundin dazu hinreißen ließ, an seine Eltern nach langer, langer Zeit eine Postkarte zu schreiben. Er hatte es geschafft. Er hatte seine Drogensucht besiegt. Sie sollten es wissen.
Marga Stamm und Phillip Matulla erlebten nach dem harten Ringen und vielen Enttäuschungen eine harmonische und schöne Ferienzeit auf der Insel.
Albert Spatfeld war es nicht gelungen, seinen Ruf als Maler zu festigen. Zwar setzte die Dom-Galerie in Aachen jährlich einige Bilder um, die fast ausschließlich nach Belgien gingen. Seine Bemühungen,auch im norddeutschen Raum zum Zuge zu kommen, blieben erfolglos. Gewiss, wenn Albert Spatfeld seine Kunst als ein lieb gewonnenes Hobby betrachtete, dann musste er mit dem bisherigen Verlauf zufrieden sein. Dem war aber nicht so. Das lange Kunststudium an der Düsseldorfer Akademie und seine Bemühungen in den letzten Jahren zeigten keine Früchte.
Zwei Studienfreunde hatten es in der Zwischenzeit zu Weltruhm gebracht. Der eine lebte und arbeitete sehr erfolgreich in London, der andere hatte in New York sein Atelier.
Albert hatte an vielen Wettbewerben teilgenommen und war noch nie in eine Endausscheidung gelangt. Er reagierte sauer, wenn Heide zwar vorsichtig, dafür aber ständig Kritik an seinen groben, verschwommenen Figuren und an dem großflächigen Format der Bilder übte. Sie forderte ihn auf, seinen Werken einen Schuss Wirklichkeit zukommen zu lassen. Das aber betrachtete Albert als Verrat an seiner Kunst.
Nachdem sie mit Albert mal wieder ein längeres Gespräch über Kunst geführt hatte, als er in seinem Atelier über eine gespannte Großleinwand brütete, ohne Erfolg, wie es schien, zog Heide es vor, ihn zu küssen, zu lächeln und ihre Reisetasche zu packen, um nach Norderney zu fahren. Es traf sich gut, denn Kevin befand sich mit dem Ulrich-Gymnasium auf Klassenfahrt nach London.
Sie wusste, dass Albert, wenn er malte, ungestört bleiben wollte. Zu unmöglichen Zeiten kochte er sich Kaffee, und es kam vor, dass er sich nachts kleine Mahlzeiten zubereitete.
Das Wetter war schön im August. Es war nicht ganz so heiß. Heide Spatfeld nahm ihren Mercedes und fuhr nach Norddeich. Die Fähre war noch nicht da. Sie parkte auf dem Anleger und wartete im Wagen.
Sie blickte auf die Boote im Yachthafen. Ihre »Wasserhexe« lag in Neßmersiel. Die konnte Albert benutzen, falls er irgendwann die Lust verspürte, nachzukommen.
Sie war nach wie vor glücklich an Alberts Seite. Sie liebte ihn immer noch, obwohl die Jahre nicht spurlos an ihnen vorübergegangen waren.
Sie freute sich auf ihre Wohnung und fand es schick, ein paar Tage alleine zu sein. Sie hatte gestern Abend noch mit Kevin telefoniert. Ihm ging es gut. Der Junge machte ihr Freude und betrachtete sie als seine echte Mutter. Sie war mehr als zufrieden mit ihrem Los. Dass Albert der große Durchbruch immer noch nicht gelungen war, berührte sie weniger. Sie waren gesund, und es fehlte ihnen an nichts. Sie fuhren im Sommer oft mit ihrem Boot nach Helgoland, meistens über das Wochenende, damit Kevin und sein Freund mitfahren konnten.
Auf der Bahnstation Norddeich Mole lief der Intercity von Basel ein. Passagiere stiegen aus und gingen zum Anleger. Neben ihr füllten sich die Fahrstreifen. Fahrradfahrer umrundeten die Mole. Gäste eines Reisebusses füllten die Bänke und belagerten den Kiosk. Die Frisia II näherte sich in der Fahrrinne dem Anleger. Möwen hingen im frischen Seewind.
Heide winkelte ihren Arm an und blickte auf ihr Handgelenk. Doch da saß keine Armbanduhr. Sie musste lächeln. Sie hatte ihre Uhr verlegt oder irgendwo liegen lassen. Vielleicht im Duschraum des Yachtclubs. Albert hatte ihr geraten, eine neue zu kaufen. Eine schicke Cartier. Sie war nicht billig. Er hatte recht. Sie musste sowieso morgen zur Bank gehen, um Geld vom Konto abzuheben.
Sie vernahm das Scheppern, als die Fähre anlegte. Autos fuhren von Bord. Dann begann das Verladegeschäft. Sie fuhr auf das Schiff, stellte den Wagen nach den Anweisungen des Matrosen ab, stieg aus und suchte das Passagierdeck auf. Kurz danach legte das Schiff ab.
Sie setzte sich auf einen Fensterplatz und bestellte bei dem Bedienungsfräulein ein Kännchen Kaffee, nahm das Handy und teilte ihrem Mann mit, dass sie sich auf dem Schiff befand.
Sie liebte die kurzen Seefahrten. Überhaupt war es so, dass
Weitere Kostenlose Bücher