Neben Der Spur
isst?
»O doch! – Und besonders bei den rein pflanzlichen Würzen wird nach Alternativen gesucht, weil nicht mal Knochen und andere Schlachtabfälle für die Aromatisierung infrage kommen. Deshalb sind neuerdings echte Geschmackgeber gefragt.«
»Wie Hermann Hepps Originalwürze?«
»Genau! Wär toll, wenn wir das Rezept fänden. Und mir scheint, du wühlst gern in Archiven.« Er betrachtet eingehend ihr Gesicht.
»Na ja, das ist spannender, als die Bürohilfe für de Beer zu machen.«
»Das nehm ich dir sofort ab. Der ist bestimmt kein unkomplizierter Vorgesetzter.«
»Es geht. Euer Laborchef scheint mir auch nicht gerade ein Charmebolzen zu sein.«
»Ist ein bisschen cholerisch. Aber sonst passabel. Ich arbeite ganz gern hier.«
»De Beer lässt mich nicht an die Presse, nicht an die Website, nicht an die Anzeigen. Hab ihm vorgeschlagen, dass ich mich um das Ding in Tschechien kümmere. – Dann hätte ich direkt mit Westenberger zu tun. Wär sicher angenehmer.«
»Stimmt. Westenberger ist echt okay. – Aber was weißt du über das Projekt in Tschechien?« Die Timberlake-Augen weiten sich.
»So gut wie nix. Hab nur einen Briefverkehr gefunden. Sie entwickeln da Abnehm… äh, Diätmahlzeiten oder so.«
»Und das interessiert dich?«
»Total.«
»Damit würde ich keine Zeit verschwenden! Ist alles bloß ein Remake von Pülverchen, die es längst gibt. Wie bei der Linswurst. Erfolgloses Unternehmen, wenn du mich fragst.« Er fährt sich durchs Haar.
Wie süß, ich mache ihn nervös, denkt Karo und hüstelt, um die sich anschließende Gesprächspause zu füllen.
»Tschja«, sagt Rick und schickt einen Blick in die Regale.
Karo tut, als vertiefe sie sich in den nächsten Ordner.
Rick greift sich den übernächsten, hockt sich damit unweit von ihr auf den Boden, blättert und blättert, eine quälende Gesprächspause lang.
»Du bist oft beim Senior«, sagt er unvermittelt. »Der belegt dich geradezu mit Beschlag.«
»Ist super sympathisch, der Alte. Nur ein bisschen abgedreht. Nennt mich abwechselnd Fräulein Karola und Fräulein Rosa.«
»Wenn dir das gefällt, nenn ich dich auch so.«
»Wehe!«
»Wenn ich Journalist wäre, würde ich mal einen Artikel über sein Leben schreiben.«
»Hab ich auch schon dran gedacht. Aber jenseits der Firma hat der Mann ja keine Biografie – außer seiner Zeit in den Nervenheilanstalten. Und über die verliert er kein Wort.«
»Schon mal nachgebohrt?«
»Die hätten ihm Betäubungsmittel gespritzt, sagt er, und deswegen erinnere er sich an nix.«
»Da gibt es noch die irre Geschichte, dass er Juden versteckt hat …«
»Echt? Juden versteckt?«
»Eine komplette jüdische Familie soll das gewesen sein. Er hat sie unter falschen Pässen bei der Feldarbeit eingesetzt. Aber vergeblich. Sein Bruder hat sie gefunden. Und zwei von ihnen sofort erschossen, die anderen den Nazis ausgeliefert.«
»War das dieser Helmut?«
»Exakt! Ein überzeugter Nazi. Wie die Eltern. Die haben Hermann Hepp kurz drauf ins Irrenhaus einweisen lassen. Dabei soll er alles andere als verrückt gewesen sein. Sondern verdammt gescheit. Und tough. War immer gegen Hitler. Hat sich dem ganzen Zack-zack-marsch-marsch von Anfang an entzogen.«
Karo ist ergriffen. »Wahnsinn! – Aber, sag mal, woher weißt du das alles?«
»Aus der Dorfkneipe. Hat mir ein steinalter Mann schon beim zweiten Bier erzählt, kaum dass ich ihm verraten hatte, für wen ich arbeite.«
Aus der Dorfkneipe! Karo schweigt. Es wurmt sie von jeher, dass sie nicht wie jeder männliche Kollege eine Kneipe betreten und unauffällig Stammtischbrüder aushorchen kann. Sofort hätte sie die Typen an der Wäsche. Frau zu sein, ist manchmal ein Riesenhandicap beim Recherchieren.
»Vielleicht findest du was im Archiv nebenan«, sagt Rick. Er deutet in Richtung eines Nebenraums, abgegrenzt durch ein paar Stufen nach unten und ein Metallgitter.
Karo späht durch Stäbe, macht in der Dunkelheit ein Holzregal aus, in dem ein paar Pappordner und antike Margarinekisten der Firma Rama gestapelt sind, die Klinke lässt sich problemlos drücken, die Tür klappt auf.
»Da könnten zum Beispiel Fotos und Briefe drin sein. Zeig sie ihm, vielleicht macht ihn das gesprächiger.«
»Gute Idee. Morgen früh fang ich damit. Kommst du auch?«
»Ich fahr für drei Tage zu einem Seminar in Dresden.«
»Drei Tage?« Karo hat alle Mühe, einen bedauernden Unterton zu unterdrücken. »Dresden ist sicher ’ne tolle Stadt!«
»Aber heute
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