Nebenwirkungen (German Edition)
Schriftliche Belege konnte er, wenn überhaupt, nur in Nils' Zimmer oder Wagen finden. Da er annehmen konnte, dass das Fahrzeug durch eine akustische Alarmanlage gesichert war, musste er versuchen, unbemerkt ins Zimmer des Mannes zu gelangen.
Die Gelegenheit bot sich am nächsten Morgen, als Nils wie üblich Paul auf seiner Tour begleitete. Mrs. Umangua war in der Küche beschäftigt, Katie bereits im Labor an der Arbeit, und er saß mit Robert am großen Tisch im Wohnzimmer. Kyle hatte Robert noch nicht über die neusten Erkenntnisse informiert. Er wollte zuerst alle Fakten beisammen haben, und er hatte einen Plan, wie er die Unterlagen beschaffen wollte, so sie denn existierten. Da das Zimmer abgeschlossen war, wie er bereits festgestellt hatte, musste er versuchen, durch die Verandatür oder das Fenster einzudringen. Er erhob sich, murmelte undeutlich etwas über frische Luft und verließ das Haus durch die Hintertür. Seine Schritte knarrten unangenehm laut auf der hölzernen Veranda, deren Planken sich teilweise gelöst hatten. Zu seiner Überraschung war das Fenster von Nils' Zimmer einen Spalt geöffnet. Er hätte es mühelos hoch schieben können, wäre die Fensteröffnung nicht wie üblich mit einem Moskitonetz bespannt gewesen. Da die Verandatür verschlossen war, blieb ihm jedoch keine andere Wahl als durch das Fenster zu klettern. Kurz entschlossen nahm er seinen Autoschlüssel aus der Tasche und trennte mit dessen scharfer Kante das Gewebe soweit vom Rahmen, dass er hinein schlüpfen konnte. Sein Herz klopfte schneller. Nur noch gedämpft nahm er die Umgebungsgeräusche wahr, als er in größter Eile das Zimmer durchsuchte. Die einfache Einrichtung bot glücklicherweise nicht viele Verstecke; ein Bett, ein Tischchen ohne Schublade, ein Stuhl und ein schlichter Schrank. Am Boden in einer Ecke lag anstelle des Koffers eine große Tasche, die jedoch nichts von Bedeutung enthielt. Kyle öffnete den Schrank. Er hatte die Hoffnung schon benahe aufgegeben, als er unter einer Decke auf etwas Hartes stieß. Es war eine Dokumentenmappe, die bis zum Rand mit losen Blättern, Kartenmaterial und Notizen gefüllt war.
»Bingo«, murmelte er mit breitem Grinsen. Er begann, in den Papieren zu blättern. Unter einer Serie von Quittungen und Zoll-Dokumenten fand er ein Dutzend Fotografien, welche die Zerstörung des Dorfes und der alten Anlage mit eingeblendeten Angaben zu Datum, Zeit und GPS-Koordinaten haargenau dokumentierten. Fieberhaft stöberte er weiter, bis ihm plötzlich ein Papier mit dem dynamischen Logo der SandVisor Corporation auffiel, das er von Bastiens Unterlagen kannte. Die konzentrierte Suche hatte seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch genommen, sodass ihm das charakteristische Motorengeräusch des schweren Geländewagens erst bewusst wurde, als das Fahrzeug vor dem Haus anhielt. Nils war zurück! An die nun folgenden Sekunden erinnerte er sich später nur undeutlich. Reflexartig stopfte er die Fotos und das SandVisor Papier in sein Hemd, schleuderte die Dokumentenmappe wieder an ihren Platz im Schrank, warf die Schranktür zu und rannte zum Fenster. Hinter sich hörte er Schritte, die sich der Zimmertür näherten. Der Schlüssel drehte sich bereits im Schloss, als er auf die Planke der Veranda sprang. Er konnte einen Schmerzensschrei nicht mehr ganz unterdrücken, denn sein linker Fuß war so unglücklich durch ein morsches Brett eingebrochen, dass er kaum mehr darauf stehen konnte. Zähneknirschend und innerlich fluchend schleppte er sich weiter und hatte gerade noch Zeit, sich in einen gebrechlichen Korbsessel neben dem Hintereingang des Hauses fallen zu lassen, bevor er aus den Augenwinkeln die weiße Mähne des Hünen am Fenster sah. Kyles Herz pochte bis zum Hals. Du wirst langsam zu alt für solche Übungen , dachte er grimmig und ärgerte sich über seine Ungeschicklichkeit. Andererseits hatte ihm die Exkursion mindestens einige interessante Dokumente eingebracht. Er hörte, wie Nils sein Zimmer wieder verließ und kurz darauf wegfuhr. Als müsste er sich selbst überzeugen, schüttelte Kyle still und entschieden den Kopf. Nein, er würde nicht nochmals durch dieses Fenster steigen.
»Scheißviecher!«, rief er laut, als er merkte, dass ihn eine Mücke in den Hals gestochen hatte. Sie waren hier in einem Malariagebiet und Mückenstiche waren nicht nur lästig, sondern gefährlich, trotz der Prophylaxe. Die Aufregung der letzten paar Minuten hatte seine Haut fiebrig heiß und schweißnass
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