Nebenwirkungen (German Edition)
beruflichen Fähigkeiten war.
»Hallo, du wolltest mich sprechen?«, begrüßte sie ihre Assistentin und setzte sich. Sie ignorierte die vielen neugierigen Blicke vor allem der männlichen Gäste, die ihre Erscheinung auf sich zog. Wo immer sie auftrat schien sich die Atmosphäre sofort elektrisch aufzuladen, während Amélies Anwesenheit im Wesentlichen ignoriert wurde. Man nahm sie nicht zur Kenntnis, was wohl auch an ihrer notorisch unvorteilhaften Kleidung und der unsäglichen antiken Hornbrille lag.
»Willst du nichts trinken?«
»Nein, danke, ich muss gleich wieder weg. Worum geht's denn?« Amélie hatte den verbesserten Genvektor, den sie nach Botswana geliefert hatten, einer Serie von weiteren Tests unterworfen und einige erstaunliche Reaktionen festgestellt. Ihr Spezialgebiet war die Erforschung der SNP 1 Risikofaktoren. Dabei ging es um die Frage, was passierte, wenn in einem DNA-Strang, also einer Kette von A, T, G, C Molekülen 2 ein einziges Element ausgetauscht wurde. Beim Menschen konnte ein SNP verursachen, dass zum Beispiel Medikamente nicht mehr wirkten oder lebenswichtige Proteine nicht erzeugt werden konnten. Es war ein riesiges, noch weitgehend rätselhaftes Forschungsfeld. Allein bei der menschlichen DNA waren über zehn Millionen SNPs zu untersuchen.
»Ich habe ein paar SNP Tests mit dem mutierten Anopheles-Genom gemacht.«
»Dein Hobby«, lachte Heike.
»Na ja, andere spielen Tennis, was ich wiederum nicht verstehen kann.«
»Und, hast du was Interessantes gefunden?«
»Kann man wohl sagen.« Sie zeigte Heike ein mit chemischen Formeln dicht beschriebenes Blatt. »Das sind die Peptide, die dieser SNP generiert. Achte auf die Nummer vier.« Heike studierte die Daten konzentriert. Als sie wieder aufblickte, meinte sie etwas unsicher:
»Das sieht aus, wie ein Bruchstück eines menschlichen Proteins, oder täusche ich mich?«
»Du liegst genau richtig. Diese Mücke würde Teile von menschlichem Protein erzeugen.« Heike schüttelte ungläubig den Kopf. Das musste nicht viel bedeuten, aber eine sonderlich beruhigende Nachricht war es doch nicht.
»Nun, das ist ein interessanter theoretischer Effekt, aber solche Mücken existieren ja nicht wirklich.«
»Interessanter Effekt! Du bist gut!«, rief Amélie aus. »Das könnte der Beginn eines ganz neuen Zweigs unserer Forschung sein.« Heike erhob sich abrupt.
»Ich muss gehen.« Nach ein paar Schritten drehte sie sich nochmals um und sagte: »Gute Arbeit, Amélie, danke.« Ihre Assistentin hatte einen scharfen Verstand und sie ging völlig in ihrer Arbeit auf. Ihr Mauerblümchendasein schien sie nicht im Geringsten zu stören.
Sun City
Robert betrachtete den Journalisten neben ihm nachdenklich, als sie im Aufzug zum Frühstücksraum hinunter fuhren. »Sie sollten den Arzt aufsuchen«, sagte er schließlich, nachdem Kyle einen weiteren seiner hartnäckigen Hustenanfälle hinter sich hatte. Der Mann war ernsthaft krank. Robert wäre gerne sofort nach Rustenburg weitergereist, als sie in Sun City angekommen waren, doch Kyles Zustand hatte sie hier in diesem Mini-Las Vegas, wie er es verächtlich nannte, stranden lassen. Die Fieber senkenden Medikamente hatten keine wesentliche Besserung bewirkt, sie dämpften lediglich die Symptome soweit, dass Kyle sich überhaupt auf den Beinen halten konnte. Robert sah die Chancen auf einen Showdown bei SandVisor schwinden.
»Verfluchter Mist«, schimpfte Kyle. »Entschuldigung. Sie haben wohl recht. In diesem Zustand bin ich nicht zu gebrauchen.« Bleich, matt, frierend und schwitzend zugleich steuerte er die Rezeption in der Hotelhalle an, um nach dem Arzt zu fragen, statt sich an den einladenden Frühstückstisch zu setzen. Welche Ironie, ausgerechnet bei den Genies, die die Malaria besiegt haben, erwischt mich dieses verdammte Sumpffieber , dachte er bitter, doch der Besuch des Arztes belehrte ihn später eines Besseren: er war nicht an Malaria erkrankt. Die Erleichterung über diese Diagnose währte indessen nur kurz, denn die wortreichen Erklärungen des bärtigen Mediziners bedeuteten letztlich nichts anderes, als dass er keinen blassen Schimmer hatte, was seinem englischen Patienten wohl fehlen könnte. Kyle verließ die Praxis höchst verunsichert und mit einer Hand voll starker Antibiotika-Tabletten; dreimal täglich eine Pille nach dem Essen. Im Hotelzimmer verkroch er sich ins bereits arg verschwitzte Bett, nachdem er Robert überzeugt hatte, noch einen Tag zuzuwarten mit dem Entscheid
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