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Nebenwirkungen (German Edition)

Nebenwirkungen (German Edition)

Titel: Nebenwirkungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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»Wir sollten langsam wieder.« Er folgte ihr die paar Stufen zum Parkplatz hinunter und konnte gerade noch rechtzeitig die Arme ausbreiten und sie auffangen. Sie war auf dem untersten Treppenabsatz ausgeglitten und mit einem unterdrückten Schmerzensschrei eingeknickt.
    »Sind Sie verletzt?«, fragte er besorgt, denn sie fiel kraftlos in seine Arme zurück, als sie aufzustehen versuchte.
    »Mist, ich glaube, ich habe den Fuß verknackst«, antwortete sie verärgert über ihre Ungeschicklichkeit. Er sah, wie sie die Zähne zusammen beißen musste. Sie konnte offensichtlich nicht mehr auf dem Fuß stehen, also trug er sie kurzerhand zurück ins Restaurant, setzte sie auf einen Stuhl und sagte, bevor sie protestieren konnte:
    »Ich hole etwas Eis.« Bastiens entschlossene Fürsorge schien den heftigen Schmerz in ihrem Fuß merklich zu lindern. Sie lächelte dankbar, als er mit einem Eispaket zurückkam, ihren Fuß sorgsam auf seine Knie bettete und vorsichtig mit dem Eis kühlte.
    »Das tut gut. Sie sind ein Engel, Bastien«, wisperte sie.
    »Tue ich doch gern«, lachte er.
    »Schöne Bescherung. So kann ich wohl kaum fahren«, sagte sie nachdenklich, dann hielt sie ihm den Zündschlüssel hin. »Fahren Sie mich zurück?« Als Antwort nahm er den Schlüssel, trug sie zum Parkplatz, setzte sie aufs Motorrad und schwang sich auf den Vordersitz. Als sie ihre Arme um ihn schlang, fuhr er vorsichtig los. Wie ein phantastischer Traum erschien ihm die kurze Fahrt in die Stadt mit der zarten Frau auf dem schweren Bike, die ihren Körper eng an seinen Rücken schmiegte. Das Eis hatte gewirkt, denn in der Universität konnte sie immerhin mit seiner Unterstützung ins Büro zurück humpeln.
    »Sie sollten einen Arzt aufsuchen«, bemerkte er, als sie sich mit einem erleichterten Seufzer setzte.
    »Geht schon wieder. In einer Stunde ist alles vorbei.«
    »Ich mache mir Sorgen um Sie, aber ich muss jetzt los.« Zögernd nahm er ihre Hand und küsste sie zärtlich. »Danke, Amélie. Das war ein wunderbarer Tag. Ich werde mich revanchieren. Ich rufe Sie an.« Verwirrt und mit heißem Kopf starrte sie die Hand, die er geküsst hatte, noch lange an, als sie wieder allein im Büro saß. Dank seinem überraschend galanten Abschied hatte sie völlig vergessen, sich über ihr erneutes Erröten aufzuregen.
     
    Er hasste die engen Kabinen der Kurzstreckenflugzeuge. Nicht genug, dass man anderthalb Stunden mit angepressten Ellbogen stillsitzen musste, um den Nachbarn nicht K. O. zu schlagen, man setzte ihn auch jedes Mal hinter einen Scheißkerl, der ihm während des Essens die Rücklehne des Sitzes ins Gesicht rammte. Dieser widerwärtige Flug drohte den wundervollen Tag gründlich zu ruinieren. Um sich abzulenken, zog er den kopierten Bericht aus der Mappe und begann zu lesen. Eine Zusammenfassung fehlte. Der Bericht war offensichtlich noch nicht vollständig. Enttäuscht blätterte er durch die ersten paar Seiten, denn viel verstand er nicht vom wissenschaftlichen Fachjargon. Es schien sich um eine ausführliche Beschreibung der angewandten Untersuchungsmethoden zu handeln.
    Die restlichen sechs Blätter jedoch enthielten die Resultate der Tests an einigen Blutproben, und die waren auch für einen Laien wie Bastien nur allzu verständlich. Je weiter er blätterte, desto unbehaglicher fühlte er sich. Eine der Proben stammte offenbar von Kyle, die übrigen neun aus Botswana und Südafrika. In fast allen Proben hatte man Spuren des synthetischen Gens S110 nachgewiesen, mit dem die Heidelberger die Anophelesmücken ausgestattet hatten. Kalte Schauer liefen ihm über den Rücken, als er las, dass sechs der Proben von Leuten stammten, die kurz nach der Blutentnahme an einer mysteriösen Krankheit gestorben waren, die ihr Gehirn buchstäblich zersetzt hatte. Mit feuchten Händen suchte er Kyles Blatt und las es nochmals sorgfältig, doch er konnte keinen Hinweis auf die unheimliche Hirnkrankheit finden. Alle anderen Befunde stimmten jedoch mit denen der in Afrika Verstorbenen überein. Er wagte sich nicht vorzustellen, was eine Obduktion von Kyles Leiche ergeben hätte und legte die Blätter zitternd weg; für heute reichte es ihm. Er erschrak, als ihm jemand af die Schulter klopfte.
    »Sir, bitte klappen Sie den Tisch hoch für die Landung«, forderte ihn die Flugbegleiterin freundlich auf. Durch die haarsträubende Lektüre hatte er seine Umgebung nicht mehr wahrgenommen.
    Zur gleichen Zeit, als das Flugzeug zur Landung ansetzte, erhob sich

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