Nebenwirkungen (German Edition)
er fand keine Erklärung, wie dieser Geländewagen plötzlich praktisch im rechten Winkel von der Straße abkommen und so gezielt in die Scheibe krachen konnte. Vielleicht war es überhaupt kein Unfall. Er entschied, dass dies eine Aufgabe für die Kriminalpolizei war.
Die Spurensuche ergab allerdings keine Hinweise auf ein Verbrechen. Der Lenker des Unglückswagens, ein unbescholtener Familienvater aus Texel, war offenbar geschäftlich unterwegs gewesen. Im Handschuhfach fanden die Ermittler nur den üblichen Kleinkram, Ausweise, CDs, eine Gebrauchsanweisung und ein paar Fotos von seiner Familie auf Safari in Afrika. Das Ergebnis der obligatorischen Obduktion erstaunte allerdings umso mehr. Der Fahrer war nicht durch den Unfall gestorben, sondern kurz vorher. Sein Gehirn war stark angegriffen und er hatte wahrscheinlich dadurch die Herrschaft über das Fahrzeug verloren.
An Bord Qantas Airlines, Flug QF64
Im Grunde genommen konnte es ihm egal sein, aber der ältere Herr auf Platz 34C begann sich doch langsam zu wundern. Sein unbekannter Sitznachbar auf dem Fensterplatz 34A war nun schon seit fast zwei Stunden nicht mehr erschienen. Er war inzwischen zwar kurz eingenickt, doch hätte er merken müssen, wenn der Mann über ihn geklettert wäre. Das letzte, was er von ihm gesehen hatte, war wie er in der Toilette verschwand. Der lange Flug schien ihm zuzusetzen, jedenfalls hatte der Mann vorher die ganze Zeit gehustet und geschwitzt.
So oft er nach vorne blickte, hatte das Leuchtzeichen dieser Toilette besetzt angezeigt. Zwei Stunden - so gemütlich war dieses stille Örtchen nun auch wieder nicht. Als sein Nachbar auch nach einer weiteren halben Stunde noch nicht wieder auftauchte, winkte er eine Stewardess herbei und machte sie auf die ungewöhnliche Situation aufmerksam. Er sah sie kurz mit ihren Kolleginnen sprechen und dann an die Tür der Toilette klopfen. Sie schien keine Antwort zu bekommen, versuchte es mehrmals vergeblich und holte schließlich den Chefsteward. Allmählich hatte sich die halbe Crew vor der Tür versammelt und er konnte nicht mehr erkennen, was vor sich ging.
Nachdem der Captain das Einverständnis gegeben hatte, brach der Steward möglichst unauffällig die Tür zur Toilette auf. Sie fanden den Fluggast Nummer 34A zusammengesunken vor der WC Schüssel kauernd, seine toten Augen starr auf die säuerlich stinkenden erbrochenen Überreste der gebackenen Putenbrust mit Spinat gerichtet.
Zehntausend Meter unter ihnen tauchten endlich nach acht Stunden die ersten Lichterketten der Westküste Australiens aus dem Dunkel auf, und der Pilot des Flugs QF64 von Johannesburg nach Sydney musste den bedauerlichen Tod eines Passagiers über Funk melden.
Paris, Technologiepark
»Ich kann mir nicht erklären, wie sie ihn so schnell gefunden haben«, versuchte sich Alexandra kleinlaut zu entschuldigen. Sie saß in Célias verhasstem Bonzenbüro im obersten Stockwerk der BiosynQ-Festung in Paris. Célia warf ihr einen stechenden Blick zu und schnaubte verächtlich:
»Ich erwarte, dass man meine Aufträge vollständig ausführt, das sollte bekannt sein.« Alexandra war vom General bereits eingehend abgekanzelt worden. Célia hatte eben die Pressemitteilung über die erfolgreiche Patentierung des modifizierten Anopheles-Genoms veröffentlicht und diesen ›Sieg über eine der größten Geißeln der Menschheit‹ in den höchsten Tönen gelobt. Und nun begann ihnen ein junger Flegel vom Life!-Magazin in die Suppe zu spucken. Beim Studium seiner brisanten Datensammlung, die Alexandra in Heidelberg entwendet hatte, waren ihr Parallelen zum Fall Marchand aufgefallen. Nur sie und ein paar wenige ihrer engsten Mitarbeiter wussten, dass der von Heike verwendete Syntheseautomat das direkte Nachfolgemodell des Instruments war, mit dem ihre Firma seinerzeit das unselige Aids-Präparat hergestellt hatte. Konnten die von Bastien Prévost dokumentierten Krankheitsfälle ebenfalls Nebenwirkungen der Synthese sein? Der Grund für das katastrophale Scheitern ihrer Aids-Forschung war nie wirklich gefunden worden, das wusste Célia nur zu genau, denn sie war es, die den verharmlosenden Bericht an die Geschäftsleitung verfasst hatte.
Einen zweiten solchen Fehlschlag konnte und wollte sie sich nicht leisten. Dieser Triumph über die Malaria und der zu erwartende Geldsegen aus der Patentierung waren ihre goldene Eintrittskarte in den exklusiven Klub der Generäle von BiosynQ. Niemand, die zimperliche Heike Wolff
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