Necroman
hatte die kleine Sense ihre Zeichen hinterlassen. Der dunklere Streifen malte sich deutlich von dem hellen Untergrund ab. Ich merkte auch die Schmerzen, die sich wie scharfe Bisse auf der Stirn verteilten. Mit dem Taschentuch reinigte ich die Umgebung der Wunde so gut wie möglich. Ein Pflaster würde reichen. Sicherlich konnte es mir Sam Baker besorgen, der ebenfalls verarztet werden musste, denn ihn hatte es schlimmer erwischt als mich.
»Schau dir das an, John!« sagte Suko.
Ich stellte mich in seine Nähe und nickte. »Das ist Necroman gewesen, sage ich mal.«
»Richtig.«
Reste waren nur vorhanden. Knochenmehl, aber dunkel wie die Nacht.
Über den Resten schwebten noch einige dünne Rauchschleier, aber auch sie würden sich bald verflüchtigt haben.
»Die Peitsche hat es geschafft«, sagte ich leise. »Du weißt, was das bedeutet?«
»Sicher. Necroman war mit einer dunklen Kraft oder mit Schwarzer Magie ausgestattet.«
»Wer hat es getan?«
Suko hob die Schultern, sagte aber: »Hast du ihn nicht in vergrößerter Form gesehen, und haben wir nicht noch den Kessel mit der Asche im Wagen stehen?«
»Der kann für die Zukunft wichtig werden, denn ich glaube nicht, dass durch die Vernichtung der Puppe alles zerstört wurde.«
Der Inspektor hob die Schultern. »Ich weiß es nicht, würde aber gern selbst das erleben, was du durchgemacht hast. Nur so können wir ihn herlocken, denke ich mir.«
Ich überlegte nicht lange. »Ja, das wäre nicht schlecht. Zunächst einmal müssen wir uns um Sam Baker kümmern.«
»Auch, John, aber vergiss nicht Tim.« Sukos Gesicht zeigte Besorgnis.
»Wenn ich an ihn denke, habe ich schon ein komisches Gefühl und ein seltsames Ziehen im Magen…«
***
Geister schienen Tim Baker zu verfolgen und ihn dabei zu umwehen. So jedenfalls hörten sich die Geräusche an. Aber es waren keine Geister, die da keuchten, sie stammten aus seinem eigenen Mund und waren eine Folge der immensen Anstrengung, denn der Junge fuhr so schnell wie möglich der Turnhalle entgegen.
Er kannte die Stadt. Jede Straße und Gasse war ihm bekannt. Ebenso wie die Schleichwege, über die er sein Ziel erreichen konnte. Die Welt um ihn herum huschte nur so vorbei. Sie war zu einem Film mit schnell ablaufenden Bildern geworden. Tim fuhr wie ein Automat. Er spürte nicht mal die Kälte, die in sein Gesicht und schließlich auch durch die Kleidung biss wie mit Säurezähnen. Er wusste auch, wann er schneller sein konnte und wann es geboten war, langsamer zu fahren.
Der kleine Park erschien in seinem Blickfeld. Im Sommer ein wunderschöner Ort der Erholung. Im Winter eher ein trauriger Platz, an dem sich die Seelen der Toten versammeln konnten, die keine Ruhe fanden. Aber er hatte es fast geschafft, denn jenseits des Parks lagen die Sportplätze und darin eingebunden auch die Turnhalle, in der Tony sicherlich schon wartete.
Tim hatte langsamer fahren und dann bremsen müssen. Der Weg in den Park war schmal und zudem noch von zwei versetzt stehenden Hürden gesichert. Der Zwischenraum war so eng, dass er sein Rad schieben musste.
Tim Baker hörte sich keuchen. Es lag nicht nur allein an der Anstrengung seiner Fahrerei, etwas anderes saß ihm auch wie eine Peitsche im Nacken. Die Angst vor Necroman.
Auch jetzt, wo er die Figur nicht sah, glaubte er noch, dass sie ihn nicht aus den Augen gelassen hatte und ihn heimlich verfolgte. Necroman sah ihn trotz der leeren Augenhöhlen. Er war ein böser Geist, er war überhaupt das Böse, und er lauerte überall. Sogar während der Fahrt hatte sich der Junge immer wieder umgeschaut, weil er stets mit einer Verfolgung rechnete, denn er traute diesem Monstrum einfach alles zu.
Es war nicht da. Er konnte durchatmen. Es gab sowieso nur wenige Menschen, die ihn gesehen hatten. An einem kalten Samstag im Winter wirkte Leyton immer wie ausgestorben. Da blieben die Menschen lieber in ihren Wohnungen und Häusern.
Er schwang sich wieder auf das Rad. Die kalte Welt begleitete ihn.
Bäume ohne Blätter, kahl, wie abgefressen wirkend. Laub lag auf dem leicht bräunlichen Winterrasen. Viele Blätter waren mit einer dünnen Eisschicht bedeckt und klebten zusammen. Der Boden war tief gefroren und knochenhart. Die drei Sportplätze standen leer und verlassen, auch der große, viereckige Kasten der Turnhalle sah verlassen aus. Vor dem Eingang standen zwei leere Fahnenmasten. Sie sahen aus wie bleiche Knochen.
Tim fuhr über einen schmalen Weg direkt auf den Eingang zu, wo auch die
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