Necromancer - The Death of the Necromancer
junge Männer zu inspizieren. Ihr fiel ein, dass im Elegante-Theater ungefähr jetzt die Proben begannen. Rasch schob sie den Gedanken beiseite.
Hinter der schweren Tür erschallte ein dumpfes Dröhnen, und die Riegel wurden zurückgeschoben. Dann wurde
sie von einem Mann mit schütterem braunem Haar geöffnet, der eine Schürze über seinem Anzug trug. »Äh, Dr. …?«
»Dr. Rouas. Das hier ist meine Krankenschwester.«
Made line deutete einen Knicks an und hielt den Blick gesenkt. Der Mann ignorierte sie, wie es die meisten Ärzte bei Krankenschwestern machten. Genau aus diesem Grund war dies eine besonders wirksame Verkleidung, Madeline war fast so unauffällig wie ein Möbelstück. »Sie kommen wegen des letzten Unglücklichen, der aus dem Fluss ge - zogen wurde? Hier lang, bitte.«
Er winkte sie herein und schloss die Tür hinter ihnen ab, ehe er vorausging.
Der Korridor hier war aus Stein und stank noch stärker nach Karbol. Madeline wusste, dass die schwere Tür und die großen Riegel keine eigens geschaffene Vorsichtsmaßnahme waren, sondern Überbleibsel aus der Zeit, als der Komplex noch zu den Verliesen des alten Gefängnisses gehörte, das einmal hier gestanden hatte.
Der Arzt führte sie durch alte Torbögen, in die Ziegelwände und moderne Türen gebaut worden waren. Nach einer Biegung erreichten sie schließlich einen großen Raum, der zugleich an ein Labor und einen Schlachthof erinnerte. In Regalen standen chemische Apparate und chirurgische Geräte. Außerdem ließ die Ausstrahlung des Zimmers an Ketten, Folterwerkzeuge und schreiende Gefangene denken. Aber vielleicht ist das nur das Gewicht der Vergangenheit , sinnierte Madeline. Oder meine Einbildung.
Mitten im Raum stand ein stählerner Operationstisch, auf dem eine reglose, in Sackleinen gehüllte Gestalt lag. Ein anderer Arzt war zugegen, ein älterer Mann mit Geheimratsecken, dessen schwarzes Haar und sorgfältig gepflegter
Bart bereits ein wenig angegraut waren. Er hatte sich die Ärmel hochgekrempelt, um sich an einem Waschbecken die Hände zu säubern; seine Jacke hing an einem Haken. Mit offenem, freundlichem Ausdruck blickte er zu ihnen auf. Das Gesicht kommt mir irgendwie bekannt vor. »Ich wollte gerade gehen«, sagte er.
»Dr. Rouas, das ist Dr. Halle«, stellte ihr Begleiter vor.
»Ah.« Der Ältere trocknete sich hastig ab, um Nicholas die Hand zu schütteln. Auch Madeline nickte er liebenswürdig zu. Gerade noch rechtzeitig gewann sie ihre Fassung zurück und setzte ein schüchternes Lächeln auf, ehe sie den Kopf einzog. In ihr drehte sich alles. Dr. Halle - natürlich kannte sie dieses Gesicht. Nur einmal hatte sie es bisher aus so großer Nähe gesehen: vor zwei Jahren in Upper Bannot, als Ronsarde beinahe Nicholas’ Plan zum Diebstahl der Juwelen aus der alten Schatzkammer der Risais durchkreuzt hatte. Dr. Cyran Halle war der enge Freund und Kollege von Inspektor Ronsarde.
Damals hatte sie ebenfalls eine Verkleidung getragen, zum Glück eine weit gründlichere als jetzt. Die anderen Male hatte sie ihn nur aus der Ferne und unter unverfänglichen Umständen registriert: im Theater, im Grillrestaurant Lusaude, in einer Menschenmenge vor der Präfektur. Es war ausgeschlossen, dass er Verdacht geschöpft hatte, und ihm war auch nichts anzumerken. Trotzdem spürte Made line ein deutliches Flattern in der Magengrube.
Mit einem Ausdruck ungezwungener Natürlichkeit bemerkte Nicholas: »Ich habe schon viel von Ihrer Arbeit gehört, Dr. Halle. Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen.«
»Vielen Dank.« Halle schien aufrichtig erfreut über das Kompliment. Mit einer Kopfbewegung deutete er auf die
Leiche, während er die Ärmel nach unten rollte. »Sie wollen eine Untersuchung vornehmen?«
»Nein, nur eine Identifizierung. Eine meiner Patientinnen hat einen Sohn, der vermisst wird. Allerdings glaubt der Rest der Familie, dass er nur durchgebrannt ist. Der Mutter geht es nicht gut, und ich habe mich bereit erklärt, an ihrer Stelle herzukommen.«
»Das ist in der Tat eine traurige Pflicht.« In Halles Stimme schwang echtes Mitgefühl mit. Er streifte seine Jacke über und nahm seine Tasche von dem fleckigen Tisch. »Dann will ich Sie nicht länger aufhalten. Sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Dr. Rouas, und auch Sie, Schwester.«
Made line musste sich daran erinnern, dass dieser Mann eine Gefahr für ihre Gruppe war, auch wenn er untadelige Manieren und die Herzlichkeit eines Lieblingsonkels besaß. Wenn er wüsste, wer
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