Nefen
die
Gefährten zu. Ihre Stimme, mit der sie in altägyptischer Sprache fluchte, hallte durch den Raum. Ihre Augen blitzten vor Wut. Nur noch ein paar Schritte bis zu jener Vitrine, in der Ramses seine Ruhestätte gefunden hatte.
„Ich habe jetzt so viel erlebt und mitgemacht. Ich habe es endgültig satt!“, schrie Sven und ging mit großen festen Schritten auf Nefertari zu.
Die machte eine Handbewegung und Sven hob vom Boden ab. Schmerzvoll landete er an der Wand des Ganges. Das war zu viel für Nefen. Wie konnte es diese Frau wagen – oder was auch immer sie war – seinem Geliebten etwas anzutun.
Ungeachtet der Tatsache, dass er es war, den sie wollte, schritt er ihr jetzt entgegen und murmelte seinerseits Beschwörungen in der Sprache, die schon lange kein Mensch mehr sprach. Shalaby setzte ein, so dass sie ihr beide gegenüberstanden. Sven hatte sich wieder aufgerafft und beobachtete die Szenerie.
Gleichzeitig – wie in einer einstudierten Choreographie – bewegten Nefen und Shalaby ihre Hände wie Schattenboxer Nefertari entgegen. Worauf diese zurückgeschleudert wurde und sich ein paar Meter von ihrem letzten Standort wiederfand.
Das Gebäude erzitterte von ihrem Schrei. Eine unsichtbare Schallwelle bewegte sich rasend schnell durch den Gang.
Sven, der noch immer das Herz in seiner Obhut hatte, warf dieses jetzt Nefen zu. Nefertari flog mit einem Getöse in Richtung der beiden am Sarg stehenden Jungen.
Shalaby zerschlug die Scheibe des Schaukastens, so dass Nefen, das Herz an Ramses Körper deponieren konnte.
In dem Moment, als das Herz die Mumie berührte, erwachte diese zum Leben. Die Muskeln begannen sich zu füllen. Pochend blähte sich das Organ auf. Als es seine ursprüngliche Größe erreicht hatte, floss Blut aus der Naht, die das Herz teilte.
„Nefen! Du musst Ramses verzeihen und ihm deinen Segen geben“, sagte Shalaby ruhig.
Nefen hielt seine Hand über das blutende Herz und sprach die verzeihenden Worte. Die Kluft schloss sich und das Blut zog sich ins Innere zurück.
Nefertari versuchte, die beiden daran zu hindern, aber ihre Schläge prallten ohne Wirkung einige Zentimeter vor ihren Körpern ab. Das geheilte Herz begann zu leuchten. Erst schwach, dann immer stärker. Aus dem roten Leuchten wurde ein weißes Licht, das den halbdunklen Raum jetzt taghell erscheinen ließ.
Nefen und Shalaby traten zwei Schritte zurück.
Das Licht folgte ihnen aus dem gläsernen Behälter und schwebte zwischen sie und Nefertari. Langsam formte sich eine Gestalt aus dem Licht. Es war Anubis, der hundsköpfige Gott und Wächter der Toten, der sich in seiner ganzen Pracht erhob. Die Pharaogattin sank verzweifelt zum Boden. Es war ihr nun bewusst, dass sie den Kampf verloren hatte.
Er schritt sanft auf sie zu und hob sie zu sich auf. Er umarmte sie und legte seine Hand auf ihre Stirn. In diesem Moment löste sie sich auf und verschwand.
Die Göttergestalt wandte sich nun Nefen und Shalaby zu. Sie dankte Shalaby für seine Dienste und entband ihn seiner Pflichten.
Shalaby verneigte sich und trat zurück.
Nefen stand plötzlich dem göttlichen Antlitz gegenüber. Dieser erhob seine Stimme, die durch das Gebäude hallte. „Ich danke dir!“ Er nahm die Hand des Erstarrten und Nefen fühlte die Erinnerungen an sein früheres Leben an ihm vorbeiziehen. Er sah die glücklichen Stunden, die er und Ramses miteinander verbracht hatten und er sah seinen Tod. Anubis legte seine Arme gekreuzt über seine Brust und verschwand, wie er erschienen war.
Nefen stand noch einen Moment emotional berührt da. Sven kam jetzt zu seinem Freund und legte seine Arme um ihn.
„Können wir jetzt gehen?“, fragte er leise.
Nefen schaute Sven tief in die Augen.
„Wo immer du hin möchtest!“
Sie küssten sich und verließen eng umschlungen das Museum.
Shalaby und Nabil taten es den beiden gleich und folgten ihnen.
Nataly konnte das eben Gesehene und Erlebte nicht fassen. Willenlos folgte auch sie den Männern nach draußen.
„Jetzt ist doch wohl eine Party angesagt?“ Shalaby schaute grinsend in die Runde und steckte damit alle an.
Die beiden Paare nahmen Nataly in ihre Mitte und zogen lachend und glücklich die Strasse hinunter.
*
Erst früh am Morgen kamen sie in ihrem Hotel an.
Müde und leicht betrunken, schwankten sie in ihr Zimmer.
Sven brauchte nur zehn Sekunden, um in einen tiefen Schlaf zu fallen. Nefen hingegen lag noch wach. Seine Gedanken überschlugen sich. Irgendwie hatte er das Gefühl, etwas
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