Neferets Fluch ( House of Night Novelle )
ehrlicher Blick nicht anders konnte, als über die Formen meines Körpers zu gleiten.
»Mir ist bewusst, dass deine Eltern es am besten wissen, und ich möchte ja auch alles richtig machen. Ich habe nur solche Angst. Und, Arthur, ich muss dir noch etwas gestehen.«
»Du kannst mir alles gestehen!«
»Jeder Augenblick, den ich getrennt von dir verbringen muss, ist mir eine Qual. Es mag unziemlich und dreist von mir sein, das zu gestehen, aber es ist die Wahrheit.«
»Komm her, Emily. Setz dich neben mich.«
Ich setzte mich neben ihn und lehnte mich an ihn. Er legte mir den Arm um die Schultern. »Es ist nicht unziemlich von dir, mir deine Gefühle zu gestehen. Wir sind ja so gut wie verlobt. Und ich habe auch schon zugegeben, dass kein Augenblick vergeht, an dem ich nicht an dich denke. Wäre es eine Erleichterung für dich, wenn ich mit meinen Eltern spräche und sie bäte, einen Grund zu finden, unsere Werbung abzukürzen?«
»O Arthur, ja! Das würde meinen Nerven sehr guttun.«
»Dann betrachte es als geschehen. Wir werden dies gemeinsam durchstehen, und eines baldigen Tages wirst du keine anderen Sorgen mehr kennen, als dass dein Ehemann dich zu sehr verwöhnt.«
Ich legte ihm den Kopf an die Schulter und fühlte mich so wunderbar wohl, dass der Schatten der bösen Ahnungen, der auf mir gelastet hatte, sich plötzlich hob und mir endlich, endlich wieder warm wurde.
Ich schwöre, dass ich das, was nun geschah, weder ausschmücke noch etwas hinzuphantasiere. Während wir dort zusammen im Schutz meiner Weide saßen, stieg der Mond so hoch, dass sein silbern schimmerndes Licht auf den Brunnen fiel und den weißen Stier und das Mädchen in überweltlichem Glanz erstrahlen ließ. Die Statuen schienen zu glühen, als hauche das Mondlicht ihnen Leben ein.
»Ist das nicht wunderschön?«, flüsterte ich ehrfürchtig. Mir war fast, als sei etwas Göttliches anwesend.
»Das Mondlicht ist herrlich«, sagte er zögernd. »Ich muss aber zugeben, dass dein Brunnen mich ein wenig befremdet.«
Ich war erstaunt. Noch immer unter dem Zauber des leuchtenden Mondes, sah ich ihm in die Augen und schüttelte verständnislos den Kopf. »Befremdet? Aber das sind Zeus und Europa – und es ist gar nicht mein Brunnen. Er gehörte meiner Mutter. Vater schenkte ihn ihr zur Hochzeit.«
Arthurs Blick glitt zurück auf den mondbeschienenen Brunnen. »Ich möchte deinen Vater nicht kritisieren, aber für eine junge Ehefrau scheint mir das ein etwas unpassendes Geschenk zu sein. Ich weiß, du bist noch unschuldig, Emily, und über dieses Thema sollte man besser schweigen, aber ist dir nicht bewusst, dass Zeus sich an dem Mädchen Europa vergeht, nachdem er sie in Gestalt des Stiers geraubt hat?«
Ich versuchte, den Brunnen mit seinen Augen zu sehen, doch noch immer sah ich nur die Majestät und Kraft des Stiers und die sinnliche Schönheit des Mädchens. Und aus irgendeinem Grund sprach mein Mund die Gedanken aus, die ich bisher nur für mich gehegt hatte.
»Und wenn Europa nun freiwillig mit Zeus kam? Wenn sie ihn nun wirklich liebte und er sie auch, und nur diejenigen, die nicht wollten, dass die beiden zusammenkamen – die ihnen ein gemeinsames Glück missgönnten –, es als Raub bezeichneten?«
Arthur schmunzelte und tätschelte wohlmeinend meinen Arm. »Wie süß und romantisch du bist! Ich glaube, ich mag deine Version der Geschichte lieber als die verderbte, die ich kenne.«
»Verderbt? So habe ich nie darüber gedacht.« Ich sah zu dem Brunnen hinüber – Mutters Brunnen, nun der meine – und die Wärme, die Arthur in mir geweckt hatte, schwand wieder.
»Natürlich nicht. Du weißt ja nichts von Verderbtheit, meine süße Emily.«
Als er mir wieder die Schulter tätschelte, musste ich an mich halten, um die gönnerhafte Berührung nicht abzuschütteln.
»Aber wo wir von Brunnen und Gärten sprechen – meine Mutter hat kürzlich damit begonnen, auf dem Land um unser Haus einen weitläufigen Lustgarten zu planen. Sie hat mir mitgeteilt, dass sie sich über deine Ideen freuen wird, vor allem, da das Haus Simpton dereinst auch das Deine sein wird.«
Mich durchzuckte Unbehagen – was, wie ich gestehen muss, dumm von mir war. Über all meinen Träumereien und der Planung meiner Flucht und Zukunft hatte ich ganz vergessen, dass ich wahrscheinlich nur einen goldenen Käfig gegen einen anderen tauschen würde.
»Werden wir nach unserer Heirat also hier in Chicago bei deinen Eltern leben?«
»Natürlich! Wo
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