Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz
wehendem Helmbusch, auf stattlichem Ross, das rot-silberne Wappenschild blinkend in der Sonne – ja, bei diesen harten Spielen würde er beeindruckend wirken.
Alyss ließ ihn reden und erwog, wie ihr Vater sich ihm gegenüber verhalten würde. Sie waren einander unähnlich, doch das würde für ihn kein Grund sein, ihn als Gatten für Leocadie abzulehnen. Arbo hatte eine ansehnliche Stellung, ein auskömmliches Lehen, war gesund, ehrlich und loyal. Dass er vollkommen humorlos war, würde Leocadie nicht stören. Sie hatte ebenfalls wenig Sinn für Doppeldeutigkeiten und feinen Spott. Und – heilige Jungfrau Maria – was würden die beiden für ein schönes Paar darstellen!
Mit aufmunternden Worten machte sie dem Ritter also noch einmal Mut, sich dem Allmächtigen zu stellen, und verabschiedete ihn dann bis zum nächsten Tag.
Dem hohen Anlass angemessen putzte sich das Hauswesen schon zur Messe heraus. Die Jungfern trugen ihre neuen Gewänder und hatten sich Kränze aus Bändern und Glasperlenketten geflochten, mit denen sie ihre offenen, vom Flechten gewellten Haare hielten. Alyss, als verheiratete Frau, wählte statt dem üblichen Schleier oder Gebende eine der Hauben, die ihr ihre Tante Aziza aus Burgund geschenkt hatte. Zu dem weinroten Surkot trug sie die Marderpelz-Jacke, doch als sie den goldenen Fürspan aus der Schatulle holen wollte, bebten ihre Finger. Den Verlust der Brautkrone, den würde sie heute ihren Eltern beichten müssen.
Die goldene Nadel blieb in ihrem Behältnis.
Marian und John, beide ebenfalls sonntäglich gekleidet, holten sie zum Messgang ab, und erstmals sah Alyss John in der Gewandung eines reichen Tuchhändlers. Eine pelzverbrämte Schaube aus edelstem Wollstoff trug er statt des üblichen Lederwamses, doch auf die Stiefel hatte er nicht verzichten wollen, auch wenn die, die er an diesem Tag trug, aus feinstem Leder gefertigt waren.
»Der Ritter hat deinen Rat eingeholt, Schwester mein?«
»Welch Zünglein flüsterte dir von diesem heimlichen Treffen?«zu
»Keines, ich sah ihn aus dem Haus treten, als ich auf dem Weg zu einem Kranken war. Bebt und zagt er in gebührender Form vor unserem Vater?«
»Ein wenig. Und das ist auch recht so.«
»Ich zage und bebe ebenfalls, Mistress Alyss. Könnt Ihr meine Hand halten und mich beruhigen?«
»Wie kommt es, dass gestandene Kämpen, von denen der eine gegen die Ritterheere der Visconti gekämpft hat, der andere
gegen die Koggen der Vitalienbrüder, vor einem alten Mann zittern, der ein Großteil seines Lebens betend im Kloster verbracht hat?«
»Euer Vater ist kein alter Mann, Mistress Alyss. Und Beten nimmt dem Löwen nicht die Zähne.«zu
»Vor denen mag sich der Ritter fürchten, denn wenn er gebissen wird, bekommt er Leocadie nicht zur Frau. Für Euch, Master John, hängt nichts vom Wohlwollen unseres Vaters ab. Selbst wenn er die Zähne in Euren zähen Leib schlüge, bräuchte es Euch nicht zu schmerzen.«zu
»Doch sein Wohlwollen, Schwesterlieb, könnte Wunden heilen, die andere Löwen geschlagen haben. Bedenke dies.«zu
Sie betraten die Kirche Sankt Brigiden, und Alyss bedachte es.
John war ausgesprochen wortkarg, was seine Familie anbelangte. Mit seinem Vater war er zerstritten, so viel hatte sie aus ihm herausbekommen, doch nicht den Grund. Er war verheiratet, allerdings hatte er offensichtlich wenig Neigung, sein Leben an der Seite seines Weibes zu verbringen, von der er bei seiner Rückkehr nach Köln gesagt hatte, sie sei krank am Gemüt. Kinder hatte er nie erwähnt; Alyss fragte sich, ob er noch eine Mutter hatte, die er vermisste. Auch von Geschwistern oder anderen Verwandten, die ihm liebevoll zugetan waren, wusste sie nicht. Doch Robert war sein Freund gewesen, sie hatten einander vertraut, so weit, dass sie sich gegenseitig als Erben eingesetzt hatten. Das ließ auf schwierige Familienverhältnisse schließen. Sehr schwierige.
Sie und Marian hatten Glück mit ihren Eltern, sehr großes Glück. Viel mehr als andere Menschen, denn sie hatten ihnen bei aller Strenge auch immer gezeigt, dass sie sich auf sie
verlassen konnten, selbst wenn sie in ihrer jugendlichen Torheit Fehler und Dummheiten gemacht hatten. Und dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – hatten sie beide auch eine gebührende Angst vor ihnen. Nein, nicht vor ihnen, sondern davor, sie zu enttäuschen. Das war der Grund, warum Marian ihren Vater fürchtete. Er glaubte, nicht Manns genug zu sein, um sein Erbe anzutreten. Und sie? Alyss
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