Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz
hatte er genügend böse Erfahrungen gesammelt.
»Komm rein, Junge.«
Er trottete in die Küche, wo der Spitz ihn leise anknurrte.
»Ruhig, Benefiz. Ein Freund.«
»Wenn du mich beißt, Köter, dann reiß ich dir den Schwanz ab!«, schrillte das Lumpenbündel. Lauryn ließ das Messer sinken und lachte.
»Versuch’s, Lore!«
»Lore?«, fragte Alyss erstaunt und betrachtete ihren Tischgast mit größerer Aufmerksamkeit. Ja, das Kind konnte als Mädchen durchgehen, auch wenn es Jungenkleider trug. »Kennst du sie, Lauryn?«
»Ist eine kleine Päckelchesträgerin und hat flinke Finger. Gebt acht, Frau Alyss.«
»Aha. Nun, dann setz dich hier hin, Lore. Hände auf den Tisch, damit ich sie sehen kann.«
»Petze«, zischte Lore Lauryn an.
»Ruhe. Sonst gibt es nichts zu essen.«
Das half. Gierig schlang das Mädchen Kohl und Wurst runter, während Alyss wieder einmal Schmalzbrote schmierte. Die aber behielt sie erst einmal in der Hand.
»Deine Nachricht, Mädchen.«
»Bin noch nicht satt.«
»Die Brote erst dann, wenn ich wenigstens die Hälfte gehört habe. Für die andere Hälfte gibt es süße Wecken mit Honig.«
Große braune Augen sahen sie aus dem blassen Gesichtchen an.
»Na gut. Der Junge, nach dem wir Ausschau halten sollten, war am Dienstag am Neugassentor.«
»Ja, das könnte stimmen. Und dann?«
»Isser auf einen Niederländer.«
»Mist!«, sagte Lauryn und hieb das Messer in den nächsten Kohlkopf. Alyss hätte fast das Gleiche gesagt, hielt sich aber gerade noch zurück.
»Der Schiffer hat ihn runtergejagt.«
»Dem Himmel sei Dank!«
»Weiß nich, wohledle Frau. Da war ein Mann, ziemlich reich, sagt der Drees. Schöne Schaube, dicken Geldbeutel am Gürtel. Der hat ihn packen wollen.«
»Den Geldbeutel hat er vermutlich später vermisst«, murmelte Lauryn und gab dem Kohlkopf den Rest. Dünne Streifen bildeten einen ansehnlichen Haufen auf ihrem Brett.
»Darüber haben wir nicht zu befinden, Lauryn. Hat der Mann Kilian erwischt?«
»De klaa Flaaskopp is flöck wie eene Herringsstetz. Is weg. Und nun die Brote, wohledle Frau!«
Alyss schob sie ihr zu und zeigte Lauryn, während Lore die Brote mit unvermindertem Appetit verzehrte, wie man den Kohl in dem Steinguttopf füllte, schichtweise mit Salz bedeckte und stampfte. Dann holte sie die süßen Wecken, reichlich voller Rosinen, aus der Vorratskammer und bestrich drei davon mit Butter und Honig.
»Die Brote waren gut«, sagte Lore und wischte sich die fettigen Lippen mit einem Gewandfetzen ab. »Dä Daurenix is wie wech jewesen, hätt dä Clais jessach. Aber ich hab ihn gestern aufgespürt. Weil ich hab einen Freier zu den Dirnen am Berlich gebracht.«
Lore machte eine dramatische Pause, als ob sie erwartete, dass nun Äußerungen des Entsetzens folgten.
»Bei den Schwälbchen also«, meinte Alyss jedoch nur nüchtern. »Eine kluge Wahl von dem Jungen. Er wird sie mit seinem Engelsgesicht ebenso bezaubern wie die Stiftsdamen.«
Lore kicherte.
»Bei welcher der Dirnen ist er untergeschlüpft?«
»Weiß ich nicht. Krieg ich den Wecken jetzt?«
»Bekommst du.«
Alyss schob ihr einen zu, reichte Lauryn den zweiten und nahm sich selbst den dritten.
»Ihh, da sind ja tote Käfer drin«, quietschte Lore und beäugte den Wecken.
Mit einem Griff hatte Lauryn ihn ihr fortgenommen.
»Wir essen gerne tote Käfer!«
»Gib her, der is mir! Ich hab schon Schlimmeres gegessen. Aber ich hab nicht geglaubt, dass bei der wohledlen Frau Käfer im Mehl sind.«
»Tja, Lore, wir mögen die tatsächlich«, bestätigte Alyss und schlug die Zähne in den weichen, süßen Teig mit den Rosinen.
Lore grapschte nach dem Wecken in Lauryns Hand und biss ebenfalls mit Todesverachtung hinein.
Dann sagte sie erst einmal gar nichts mehr.
»Der Mann«, meinte Alyss nachdenklich und leckte sich
den Honig vom Finger, »der Kilian ergreifen wollte, würde der Clais den wiedererkennen?«
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht.«
»Wenn er ein Mahl zum Sattessen bekäme?«
»Schon.«
»Bist du satt geworden?«
»Halb.«
»Die platzt gleich, Frau Alyss. Und dann haben wir die Schweinerei in der Küche.«
»Stimmt. Aber wenn du mehr Neuigkeiten hast, gibt es wieder einen Teller Suppe.«
»Auch wenn ich den Clais finde?«
»Der findet sicher von alleine hierher, wenn ich Pitter frage.«
Lore zog eine Flunsch, aber Alyss reichte ihr einen dicken Apfel, und das entlockte dem Mädchen ein kleines Lächeln. Sie biss krachend hinein und erhob sich.
»Hab noch
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