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Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz

Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz

Titel: Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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aufgehört, und ein stetiger Wind, der durch das Flusstal zog, ließ hier und da die Sonne zwischen den Wolken aufblitzen. Am befestigten Ufer schaukelten die Frachtkähne, und vernehmlich quietschten die Laufräder des großen Krans, mit dem die Steine für den Dombau von den tiefliegenden Nachen entladen wurden.
    Es war harte und gefährliche Arbeit, die die Kranenknechte zu leisten hatten. Zum einen mussten die Männer geschickt die Lasten sichern, die von Bord auf das Ufer oder dort direkt auf die Karren gehievt werden sollten, zum anderen mussten die Windenknechte, oder, wie sie hier genannt wurden, die Mühlenstößer, nicht nur mit großem Kraftaufwand in den Treträdern die schwere Ladung anheben, sondern sie auch oben halten, während der Kran gedreht wurde. Und dann langsam wieder absenken.
    Arbeit in der Tretmühle war hart, kräftezehrend und gefahrvoll. Sie wurde gut bezahlt, aber nur die stärksten Männer und Frauen konnten sie leisten.
    Ein Mann mit Husten war ungeeignet und stellte eine Bedrohung der gesamten Gruppe dar. Heini, der Entführer, hatte sicher ganz gut verdient, doch als kranker Mann erhielt er keinen Lohn mehr. Ein Grund, wie sich Alyss sagte, dass er auf einfachere Weise seinen Unterhalt zu verdienen geneigt war. Welcherart Mensch er war, wollte sie herausfinden, mehr noch, wo er sich aufgehalten hatte, nachdem er seine Arbeit im Hafen verloren hatte und wo sein jetziger Verbleib sein konnte. Die Kranenknechte kannten sich, waren bei der Arbeit aufeinender angewiesen und mussten sich gegenseitig vertrauen.
    Tilo und Frieder, die neben ihr standen, zerrten wie die jungen
Fohlen an den Stricken, um endlich mit ihren Nachforschungen beginnen zu können.
    »Gut, ihr beiden. Das sind raue Gesellen, passt auf, dass ihr sie nicht verärgert. Eine Abreibung von einem Tretmühlenarbeiter dürfte ziemlich schmerzhaft werden.«
    »Ja, Frau Alyss.«
    »Dann los.«
    Die beiden trabten zu den Schiffen, und Hilda murrte neben ihr.
    »Ihr solltet hier nicht rumstehen und Euch angaffen lassen, Frau Alyss.«
    »Man wird mir schon nichts abgaffen. Und außerdem gaffe ich auch!«
    »Das gehört sich ebenfalls nicht!«
    »Hilda, wenn Ihr Euch schämt, mit mir gesehen zu werden, dann geht schon mal zum Fischmarkt und kauft einen schönen großen Lachs.«
    »Nein, Frau Alyss, nein. Beides nicht. Ihr könnt hier nicht zwischen all den Schiffern und Lastenträgern und Fuhrknechten alleine herumlaufen. Und, nein, so ein Arme-Leute-Fisch kommt mir nicht auf den Tisch.«
    Nachsichtig sah Alyss ihre Haushälterin an. Einst war sie Küchenmädchen im Haus ihrer Eltern gewesen, und sie kannten einander schon vom Tag ihrer Geburt an.
    »In Brotkruste, mit Kräutern und Senf. Du weißt, dass wir den Lachs gerne so mögen. Außerdem ist Freitag.«
    »Aber Ihr könnt Euch besseren Fisch leisten.«
    »Und wem soll ich damit etwas beweisen? Warum nicht essen, was uns schmeckt? Und nun lasst mich weitergaffen.«
    Hilda grummelte noch einmal leise, aber Alyss hielt weiter
Ausschau, wenngleich sie wenig Hoffnung hatte, dem Mann hier noch einmal zu begegnen, den Clais ihr zur Mittagszeit bei einem üppigen Teller Brei geschildert hatte.
    Groß sei er gewesen, alt, wobei das aus Sicht eines Gassenjungen kein verlässliches Urteil war, ein dunkelrotes Barett habe er getragen, aber besonders auffällig sei seine Schaube gewesen. Ebenfalls aus dunkelrotem, dickem Wollstoff und gänzlich gefüttert mit feinem Pelz. Das bedeutete, viel mehr als der Geldbeutel am Gürtel, dass es sich um einen wohlhabenden Mann handelte. Sein Aufenthalt am Hafen ließ darauf schließen, dass er nicht zu den Patriziern, sondern eher zu den reichen Kaufleuten gehörte, die hier ihre Ware in Empfang nahmen oder verschifften. Obwohl die üblicherweise dafür auch ihre Handlanger hatten.
    Sie hatte sich kurzfristig gefragt, ob es sich bei dem Mann um Aldenhoven gehandelt haben konnte, der ja ebenfalls nach Kilian in der Hafengegend suchte. Aber – wäre der Junge seinem Vater entwischt? Vermutlich nicht. Es musste also ein anderer Mann gewesen sein. Und der Lausebengel mochte gewitzt sein und sich wacker durchschlagen, ein gewisses Misstrauen diesem Herrn gegenüber mochte ihn zur Flucht verleitet haben. Ob er ihn kannte?
    In den Treträdern des Krans setzten sich jetzt wieder vier Männer in Bewegung, und langsam, sehr langsam senkte sich ein grob behauener Steinklotz auf den bereitstehenden Wagen. Gebrüllte Befehle, Ächzen, ein schnaubendes Pferd,

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