Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz
Okto-ber
aufgesucht hatte, als sie sich mit Pelzen eindecken wollte. Sie erinnerte sich, wie sie mit den drei Jungfern, denen sie tags zuvor Pelzbesätze an den Kleidern versprochen hatte, seine Lagerräume betreten hatte. Leocadie und Hedwigis hatten die Nasen gerümpft, denn dort roch es streng nach Leder, doch nicht so widerlich wie die Gerbereien am Blaubach. Lauryn sah sich davon unbeeindruckt um. Das Angebot fand Alyss auf den ersten Blick reichhaltig. Von Haken hingen allerlei Pelze, andere häuften sich in dicken Stapeln. Es gab große langhaarige, kleine seidige, seltsam lockige, dunkelbraune, hellbraune, getigert braune, rötlich braune, gelblich braune Felle. Hedwigis betastete sie aufmerksam, Lauryn breitete sie aus und begutachtete die Größe, Leocadie streichelte mit traurigen Augen die weichen Haare.
In Houwschild hingegen fand Alyss einen recht bedächtigen Mann mittleren Alters, der ihr umständlich Herkunft und Preise nannte. Sie hatte aber ihr Händlergesicht aufgesetzt, dem ihr Gegenüber nicht entnehmen konnte, wie ernsthaft sie wirklich zu einem Erwerb neigte. Seine Preise schienen ihr angesichts der Qualität der Pelze recht hoch, aber bevor sie einen Vergleich hatte, wollte sie dazu nichts anmerken.
»Habt Ihr keine weißen Fuchsfelle, Meister Houwschild?«, hatte sich Hedwigis plötzlich eingemischt und dafür von Alyss wie von dem Händler einen ärgerlichen Blick geerntet. Dennoch nahm Alyss diesen Einwurf zum Anlass, das in ihren Augen unergiebige Gespräch zu beenden, und hakte ebenfalls nach: »Verzeiht der vorlauten Jungfer, Meister Houwschild, sie hat sich da etwas in den Kopf gesetzt … Aber heißt es nicht, dass man über Riga auch weißes Pelzwerk erhalten kann? Möglicherweise wäre ich auch daran interessiert.«
Der Pelzhändler rümpfte die Nase.
»Ein Risiko, kaum Absatzmöglichkeiten, zu auffällig. Ich bleibe bei den bewährten Waren. Fuchsfelle habe ich sehr wohl, schöne Rotfüchse, von besonders dichtem Haar, wie sie es nur im Norden tragen.«
Ein leises Schniefen ließ Alyss herumfahren. Leocadie versuchte, ihre Tränen zu verbergen, die ihr über die Wangen strömten. Dieses Mädchen hatte ganz gewiss viel zu nahe am Wasser gebaut.
»Lauryn, Hedwigis, begleitet Leocadie vor die Tür und wartet auf mich!«, befahl sie und wandte sich dann wieder Meister Houwschild zu.
»Sie ist verliebt«, erklärte sie mit einem Schulterzucken.
»Ach ja, die jungen Maiden. Steht eine Brautausstattung ins Haus?«
»Noch nicht, aber vermutlich bald. Nun, heute scheint nicht der Tag für solche Einkäufe zu sein, Meister Houwschild. Entschuldigt mich, ich muss die Fluten eindämmen.«
»Natürlich, wohledle Dame. Doch wenn Ihr den Wunsch nach weichem Pelzwerk habt, stehe ich Euch jederzeit zur Verfügung. Wie gesagt, die Ware aus dem Norden …«
»Ja, ja, ich melde mich wieder«, würgte Alyss den schwatzhaften Mann ab und verließ den Raum, um sich den drei Mädchen zu widmen.
»Es ist wegen der Füchse«, hatte Lauryn trocken erklärt.
»Und ihren rührseligen Erinnerungen an die süßen Tierchen in den Weinbergen ihres Vaters«, ergänzte Hedwigis.
»Sie spielten dort immer so hübsch. Ich sah ihnen so gerne zu. Sie waren so possierlich – und nun hängen sie hier als Pelze. Ich kann so etwas nicht an meinen Surkot nähen. Nein,
niemals werde ich meine Kleider mit einem Pelzbesatz versehen«, schnupfte Leocadie.
Alyss hatte ihr bunte Borten versprochen und sich das Angebot der Gebrüder Brouwer angesehen, das weit mehr ihren Vorstellungen von Preis und Qualität entsprach.
Was mochte den behäbigen Houwschild mit Aldenhoven und dessen Sohn verbinden? Nun, er war Pelzhändler, und möglicherweise kannte er den Buntwörter. Wenn Niclas Aldenhoven auch ihm vom Verschwinden seines Sohnes berichtet hatte, dann würde er ganz gewiss versucht haben, des kleinen Ausreißers habhaft zu werden. Das war also zunächst einmal verständlich und nicht weiter bedrohlich. Aber Kilian mochte an seinem Abenteuer so viel Gefallen gefunden haben, dass er eine Rückkehr in die elterliche Sicherheit oder gar ihre Obhut derzeit nicht wünschte.
Leider erfuhr dieser beruhigende Gedankengang am Abend eine völlig andere Wendung.
Man hatte sich wieder um den Tisch in der Küche versammelt, und der große Lachs in seiner knusprigen Teighülle entlockten dem Hauswesen begeisterte Ausrufe. Magister Hermanus pries Gott den Herrn für seine Gaben und setzte, wenngleich noch immer heiser, zu
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