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Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz

Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz

Titel: Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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auch lesen und schreiben? Aber Ihr könnt das doch …«

    »Unsere abendländische Schrift ja, aber ich versuche, die maurische zu lernen.«
    »Aus welchem Grund? Wollt Ihr ins Maurenland reisen?«
    »Nein, nur die Schriften der Mediziner lesen. Aber nun, Gislindis, will ich mit Euch einen kleinen Handel machen. Ich verrate Euch das Geheimnis des Lesens, und Ihr verratet mir, was ich wissen will.«
    »Herr Marian, Ihr seid ein Schelm. Woher soll ich ahnen, was Ihr wissen wollt?«
    »Ich gebe Euch meine Hand. Darin zu lesen seid Ihr ja geübt, meine Liebliche!«
    Gislindis überlegte einen Moment. Sie saßen wieder in dem Häuschen von Mats Schlyffers zusammen, doch diesmal war Marian unangekündigt gekommen, und Gislindis hatte sich nicht herausgeputzt. In einem grauen Kittel über zwei Cotten trug sie einen warmen Umhang, die langen Zöpfe hatte sie unter einem braunen Tuch versteckt. Sie hatte gerade Teig geknetet, aber ihre Arbeit unterbrochen, um Marian gastfreundlich einen Becher Most anzubieten. Das Abecedarium lag auf der Sitzbank, und als Marian es erkannte, hatte er ihr ein Wort auf das Wachstäfelchen geschrieben, das er immer in seiner Tasche mit sich trug, und sie aufgefordert, ihm vorzulesen.
    »Gut, Herr Marian. Ihr zeigt mir, wie ich Wörter lese, und ich lese aus Eurer Hand. Ihr zuerst!«
    »Händlerin!«
    »Ein junges Weib muss vorsichtig sein.«
    »Stimmt. Nun, hier ist das Geheimnis der Buchstaben. Ihr habt sie der Reihe nach auswendig gelernt, aber so, wie Ihr sie aussprecht, werden sie nicht gelesen.«
    »Das ist aber dumm. Dann habe ich ganz umsonst gelernt.«

    »Nein, das habt Ihr nicht. Zunächst – nur a und e und i und u und o werden so gelesen wie gesprochen.«
    »Mhm.«
    »Richtig, das ›Em‹ wird wie ›Mm‹ gelesen.« Er malte ein M auf das Wachs. »Das A wie A.« Er ließ das A folgen und fügte dann ein T an. »Das ›Te‹ spricht sich wie Ttt.« Und zuletzt hing er das S an das Wort. »Und nun lest, kluge Gislindis.«
    »Ematees?«
    »Was habe ich Euch geraten?«
    »Mmmatttes. Neiiin! Mats. Das heißt Mats, richtig?«
    »Richtig. Und nun das erste Wort.«
    Sie brauchte eine kleine Weile, um sich an die neue Sprechweise der Buchstaben zu gewöhnen, aber dann jubelte sie plötzlich auf: »Ihr habt Gislindis geschrieben. Meinen Namen!«
    Röckewirbelnd tanzte sie durch den Raum und lachte.
    »Schreibt mir mehr Wörter auf, Herr Marian«, bat sie dann.
    »Später, schlaue Gislindis, jetzt Euren Teil der Vereinbarung.«
    »Reicht mir Eure Hand, Herr Marian.«
    Er tat es, und sie fuhr mit der Fingerspitze die Linien nach.
    »Mhmm!«, summte sie.
    »Stimmt, wir Menschen tragen das M in unseren Händen.«
    »Gottes Wunder sind allgegenwärtig«, sagte Gislindis ungewohnt ernst und vertiefte sich dann erneut in die Handlinien. Marian hielt still, musterte sie, wie sie versonnen, die Lider gesenkt, immer langsamer atmete.
    »Der Falkner hat seinen Gehilfen nach Norden geschickt.«
    »Was?«, fuhr Marian auf. Gislindis hob den Kopf, und in ihren grauen Augen schillerte es.

    »Das wusstet Ihr nicht, nicht wahr? Er hat einen Mann mitgebracht, einen struppigen Kerl, der in einem Gasthaus oben Richtung Aachen wohnte.«
    »John of Lynne hat nie von einem Diener oder Handelsknecht gesprochen – aber gut, es ist nicht ungewöhnlich, dass Kaufleute Gehilfen haben.«
    »Wollte Ihr mehr darüber wissen?«
    Marian schüttelte den Kopf. John hatte seine eigene Art, und es erschien ihm ein Vertrauensbruch, seine Taten näher auszuforschen.
    »Nein, Gislindis. Viel eher möchte ich wissen, wo Kilian sich herumtreibt. Man spricht von einem Spielmann, der sein Wohlwollen errang.«
    »Ja, er schloss sich den Fahrenden an, Herr Marian. Doch sein Vater hat die Büttel auf seine Fährte gesetzt.«
    Ein kleines, bitteres Lächeln umspielte Gislindis’ Lippen. Marian dachte an das, was er von ihrer Familie wusste. Wahrscheinlich war sie selbst bei den Gauklern und Spielleuten gewesen und hatte vielleicht sogar Kilian dort gesehen. Doch er konnte ihr keinen Vorwurf machen, dass sie geschwiegen hatte.
    »Die Fahrenden fürchten die Wachen und die Obrigkeit, ist das richtig?«
    »Aus gutem Grund, Herr Marian.«
    »Wohin haben sie den Jungen gebracht?«
    »Zum Hafen. Er wollte auf ein Schiff.«
    »Ich hoffe, das ist ihm nicht gelungen.«
    »Mehr, Herr Marian, weiß ich nicht. Aber ich werde hören, was sich tut.«
    Er entzog ihr seine Hand und betrachtete sie selbst nachdenklich.

    »Wie macht Ihr es, dass Ihr

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