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Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues

Titel: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Ironside
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wurde, hielten uns Taxifahrer gewöhnlich für Schwestern. Meine Mutter wurde dann ganz albern und affektiert und kramte in ihrer Handtasche nach einem besonders dicken Trinkgeld.
    Wir haben beide unsere Haare gelockt, unsere Stimmen sind so ähnlich, dass ich, wenn ich mir A ufzeichnungen von alten Radiointerviews von ihr anhöre, immer denke, dass ich das sein muss. W ir haben beide einen üppigen Busen und einen Ballenzeh am rechten Fuß. Und wir sind beide brünett und haben Schlupflider, die uns leicht orientalisch aussehen lassen. A ußerdem haben wir die gleiche Retroussé-Nase und den gleichen breiten Mund. A ls meine Mutter vierundfünfzig war, hat sie sich die Lider liften lassen– für ihren Geschmack sah sie allmählich ein wenig zu orientalisch aus–, und als ich vierundfünfzig wurde und mir eine Freundin auf einer Party sagte, ich sähe aus wie eine bengalische Prinzessin, habe auch ich mir die Lider machen lassen. A ls meine Mutter sechsundfünfzig wurde, hat sie sich ein richtiges Lifting geleistet– das Gesicht und auch den Hals ( » Eidechsenhals« nannte sie das). A ls ich sechsundfünfzig wurde, habe ich dasselbe machen lassen.
    Und jetzt, nachdem ich mein ganzes Leben lang versucht habe, dem Jungenhaarschnitt zu entfliehen, auf den meine Mutter immer bestand ( » Es sieht so französisch aus, Kind!«, » Aber ich will nicht französisch aussehen, ich will englisch aussehen!«), habe ich endlich aufgehört, meine Haare lang wachsen lassen zu wollen, sie aufzudrehen, einzudrehen, diesen oder jenen Schnitt auszuprobieren– und bin genau bei jenem knabenhaften Haarschnitt hängen geblieben, der mir, wie meine Mutter wusste, am besten steht. Ein Haarschnitt, genau wie sie ihn hatte.
    Die Preisfrage lautet also: W ie kann man sein A ussehen so verändern, dass man im A lter besser aussieht als in der Jugend? Einige meiner Freunde, das lässt sich nicht leugnen, haben das erlitten, was die Franzosen einen Coup de vieux nennen. A ls man sah sie das letzte Mal traf, und das war vor nicht allzu langer Zeit, da sahen sie noch einigermaßen okay aus– und dann sieht man sie wieder und steht vor einer totalen Ruine. A ls wäre über Nacht ein A bbruchkommando aufgetaucht und hätte eine tragende Mauer in ihrem Gesicht entfernt– überall Schutt und Zerstörung.
    So leid sie mir ja eigentlich tun– aber ihr Zusammenbruch ist unser Gewinn (ja, ich bin eitel genug, dass ich mich zu dieser Kategorie dazuzähle), denn wir, die wir uns vor dem A bbruchkommando verbarrikadiert haben, kommen jetzt noch vorteilhafter zur Geltung. Und, um ehrlich zu sein, selbst jene, deren Fensterrahmen ein wenig wackelig geworden sind und dringend justiert gehörten, wirken jetzt mehr wie sie selbst als je zuvor. Krähenfüße und Lachfältchen können nämlich eine wunderbare Transformation zur Folge haben: Das Gesicht sieht jetzt viel individueller, origineller und zugänglicher aus als in den Tagen von Pfirsichhaut und seidigem W allehaar.
    Es hängt nur davon ab, wie man mit seiner Situation umgeht.
    Selbstverständlich gibt es aber auch einen Mittelweg zwischen totaler Ruine und jenen, die mit achtzig aussehen, als wären sie dreißig. Bei letzteren Zeitgenossen hat man immer das Gefühl, eine gute Fee habe sie mit dem Zauberstab berührt, und die ganze perfekte Fassade würde Schlag Mitternacht zerbröseln. A ber auch Sie können, ohne allzu große Mogelei, so attraktiv, umwerfend oder subtil elegant werden, wie Sie nur wollen. W ie Eleanor Roosevelt sagte: » Schöne junge Menschen sind Zufälle der Natur. Schöne alte Menschen sind Kunstwerke.«
    Und glauben Sie mir, Sie können jetzt, im A lter, viel besser aussehen, als damals in Ihrer Jugend. Ich sehe gelegentlich schöne alte Menschen und denke mir dann unwillkürlich: » Mein Gott, muss die/der in ihrer/seiner Jugend gut ausgesehen haben.« A ber wenn ich dann zufällig Jugendfotos dieser Personen sehe, bin ich regelmäßig enttäuscht, wie gewöhnlich sie ausgesehen haben– ein junger Mensch wie alle anderen in ihrer Generation.
    Keiner von uns will auf grässliche W eise alt aussehen, aber es liegt in unserer Hand, auf gute W eise alt auszusehen. Niemand will wie eine Gemeindehalle aus den Fünfzigern aussehen, die von Hooligans verwüstet wurde. A ber ich hätte nichts dagegen, wie Tintern A bbey auszusehen. Oder wie der Tempel von Karnak. Ich habe eine Freundin, die jetzt schon nach Kleidungsstücken A usschau hält, die sie in möglicherweise kommenden

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