Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues
hin zu den herzzerreißenden Gänseblümchensträußchen, die die Enkelkinder selbst gepflückt haben. Und sind Blumen nicht eine A rt Opfergabe, ein A usdruck unseres archaischen Bedürfnisses, dem V erstorbenen ein ganz persönliches Geschenk zu machen, etwas, das keinem nutzt außer ihm? Blumen sind wie das sinnlose V ersprühen von Champagner bei einer Grand-Prix-Siegesfeier– eine selbstlose Gabe, etwas, das man gibt, ohne etwas dafür zu empfangen.
Eine Spende ans Tierheim, so lobenswert sie auch sein mag, stört nur das, was eine ganz private, liebevolle Geste an einen, den man liebte, sein sollte.
Ich mag, was meine Großmutter als » eine schöne Leiche« bezeichnete: großartige, ernste Begräbnisse, mit großartigen, ernsten W agen, gezogen von schwarzen Rössern, einen Trauerzug vom Haus des V erstorbenen bis zum Friedhof. A m besten in einem gläsernen Leichenwagen, auf dem– in Blumenschrift– » Der Champion« steht. Herrlich.
Bestatter
Der letzte Leichenbestatter, mit dem ich es zu tun hatte, trug W este, schwarze Krawatte und einen schwarzen A nzug. Ich habe ihn nie auch nur andeutungsweise lächeln sehen und kann mir seitdem ziemlich genau vorstellen, wie es auf Bestatterschulen zugeht: Wahrscheinlich werden die Lehrlinge so lange gekitzelt und mit W itzen traktiert, bis der erste, der die Beherrschung verliert und eine Miene verzieht, rausfliegt.
Das Beerdigungsinstitut war eine komplett andere W elt und ein wenig so, als würde man einen Sprung in ein anderes Zeitalter machen– abgesehen von dem protzigen, chromglänzenden Sarg, der im Schaufenster stand ( » Mit Federkernmatratze«, wie uns der Bestatter versicherte). Nirgends war ein Computer zu sehen, alles wurde noch fein säuberlich in Langschrift mit der Hand geschrieben. Dabei wurden W orte wie » Katafalk« und » Einäscherung« verwendet.
Ich kann mich erinnern, dass ich einmal ein Infoblatt für eine große amerikanische Bestattungsfirma mit dem Titel » Alles rund um die Beerdigung« verfassen sollte. Dies stellte mich jedoch vor zwei Probleme: Erstens durfte ich das W ort » Leiche« nicht benutzen– man bevorzugte die Bezeichnung » der V erblichene«. Und bei der Erwähnung von » Asche« zuckten meine A uftraggeber förmlich zusammen. A ls ich verblüfft fragte, was ich denn stattdessen verwenden solle, lautete die unvergessliche A ntwort: » Kremat.«
Da platzte mir der Kragen.
Als ich im Bestattungsinstitut eine Broschüre durchblätterte, sah ich, dass es auch Särge gab, die auf W unsch an der Seite bedruckt waren. Zur A uswahl standen alle A rten von Motiven wie ein Landschaftsbild, Golfschläger oder wahlweise auch eine Rakete. Es gab sogar eine Rock ’n’ Roll -V ersion, eine Jazz -V ersion und– besonders verrückt– einen Sarg ganz mit dem Union Jack bemalt. Das Problem ist nur, das dicke Ende kommt erst, wenn man das ganze, geradezu lächerlich teure Paket unterschrieben hat– zirka 2000 Pfund, inklusive Limousine und Leichenwagen. Reumütig entsinnt man sich dann des Natural Death Center, wo man eine W aldbestattung in einem biologisch abbaubaren Sarg (sprich: Karton) bekommen kann.
Im nächsten Leben, schwöre ich mir dann unheilvoll.
Gedenkfeiern
Wenn man den Pudding wirklich überzuckern will, kann man, etwa einen Monat nach der eigentlichen Beerdigung, eine Gedenkfeier beantragen. Selbige lässt sich mit wesentlich mehr Muße vorbereiten als die Beerdigung. So unmittelbar nach dem Todesfall war man noch viel zu betäubt vor Kummer, um auf der Bestattungsspeisekarte mehr als Menü 23 bestellen zu können. Für die Organisation der Gedenkfeier ist der Erfahrung nach schon mehr Kraft vorhanden: Man kann jetzt nach Herzenslust Hymnen oder andere Lieder nachschlagen, eine Band bestellen, Lachshäppchen und Jasmintee, wonach immer einem eben der Sinn steht.
Eine Gedenkfeier ist gewöhnlich eine Zelebrierung des Lebens und nicht das Beweinen des Todes. Nach einer Gedenkfeier kann man nicht umhin, sich zu freuen und stolz darauf zu sein, den V erstorbenen– der in höchsten Tönen gepriesen wurde– gekannt zu haben, sich glücklich zu schätzen, dass man zu den Freunden des V erblichenen gezählt hat. A uch hier können wir Oldies uns, wie so oft, voller Stolz auf die eigene Schulter klopfen.
Meine Traumbeerdigung
Ich schwanke noch zwischen einer gewaltigen Begräbnisfeier in der W estminster A bbey mit einem Chor weißgewandeter Eunuchen, die nach der Messe einen Schwarm weißer Tauben fliegen
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