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Nein! Ich möchte keine Kaffeefahrt!

Nein! Ich möchte keine Kaffeefahrt!

Titel: Nein! Ich möchte keine Kaffeefahrt! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Ironside
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Feind,
    Wachten bei Nacht, pflegten amTag,
    Nahmen das Leben mit kalter Hand,
    Hielten denTod auf weitemAbstand
    Für immerdar.
    Das Gedicht berührte mich so sehr, dass ich es Mrs Evans zeigte, die gerade einen Gang wischte, den kein Mensch mehr betreten hatte. Ich musste mit jemandem sprechen. Mrs Evans las das Gedicht langsam und brach dann inTränen aus.
    » Oh, das ist alles so wahr « , sagte sie mit zittriger Stimme. » Ich hoffe, sie päppeln ihn nicht immer wieder auf wie altes Gemüse.Verzeihen Sie, aber Sie wissen, was ich meine. Es ist so traurig.Als hätte er sein eigenes Schicksal vorausgeahnt… «
    » Ich weiß, dass Sie alles verstehen, Mrs Evans « , erwiderte ich. » Es ist so gut, dass Sie hier sind. Sie waren wunderbar.Apropos « , fuhr ich fort, als Hardy angelaufen kam, meinen Rock beschnüffelte und in Erwartung von Streicheleinheiten zu mir aufblickte, » was wird denn nun aus Hardy? «
    » Er ist jetzt erst mal bei mir. Bald kommt er zu Mrs Sylvie, die hat nur zurzeit so viel um die Ohren. Mein Mann geht jetzt immer mit dem Hund raus. Man spürt, dass Hardy MrArchie vermisst, aber ich glaube, er wird sich bald erholen. «
    Sie blickte zum Fenster hinaus. » Sie haben sicher bemerkt, dass der Rasen in schlechtem Zustand ist. Mein Mann will sich darum kümmern, sobald seine Hüfte wieder besser ist. «
    Als ich auf dem Gelände der ResidenzAbendlicht ankam, war die Luft extrem drückend, was dieAtmosphäre dort irgendwie noch bedrohlicher machte. Ich fand es unheimlich, dass es so ruhig war. Man hörte keine Schreie– nicht einmal unterdrückte–, keine Gespräche, kein Maschinensurren. Leblos. Es gibt dickeTeppichböden undAnzeigen fürVeranstaltungen am Schwarzen Brett– Mitsingabend mit Roger und seiner Geige am Donnerstag im Grünen Saal, Postkartenbasteln mit Gina am Freitag im Freizeitraum und eineWanderung durch die Zeit mit Bernard am Freitag im Esszimmer. Mit Gina gab es auch einen Spaziergang am Samstag für diejenigen, die noch gehen konnten, und Frisuren mit Roger am Sonntag für die Damen, die noch genug Haare für eine Frisur besaßen.
    An sich war es ein angenehmer Ort. Das Problem bestand nur darin, dass man bereits in prekärem Zustand sein musste, um sich hier aufzuhalten. Und dass es trotz des Messingschilds » Das Zeitalter derWürde « im Empfangsbereich nun mal nicht würdevoll ist, mit dem Löffel gefüttert zu werden oder sich den Hintern abwischen zu lassen.
    Ich ging den überheizten Flur entlang zuArchies Zimmer. Mit seinen persönlichen Dingen sah es sehr wohnlich aus.Auf einer Kommode standen ein Foto von Sylvie und eines von Philippa. Dass von mir keines vorhanden war, entging mir nicht, aber da wir auch erst seit ein paar Jahren zusammen waren, konnte ich mich eigentlich nicht darüber beklagen. DieWände des Zimmers sind hellgelb, und Sylvie hatte bunte Indianerdecken über die Sessel drapiert, was die Stimmung anheimelnder machte. Doch einiges ließ sich nicht beschönigen. Der Plastiknachttisch neben seinem Bett. Die Billigkommode. Das grell beleuchtete Badezimmer mit der Sitzerhöhung auf derToilette. Und die deprimierenden Notrufknöpfe an Kabeln, die in allen Räumen von der Decke hingen.
    Da hier wohl sehr viele Frauen wohnen– wir leben länger–, kannArchie sich offenbar vor Besucherinnen kaum retten, die alle glauben, in ihn verliebt zu sein, und versuchen, mit ihm zu plaudern und zu flirten. Er wohnt erst seit ein paarTagen dort, aber es ist verblüffend zu erleben, dass es für sexuellesVerlangen offenbar keineAltersgrenze gibt. UndArchie benimmt sich immer noch rührend formvollendet. Obwohl er jetzt sehr schwach ist, steht er jedes Mal auf, wenn jemand hereinkommt, und sagt mit strahlendem Lächeln: » Meine Liebe!Wie schön, dich zu sehen! Du siehst bezaubernder aus denn je! « Das macht er bei Putzfrauen, Ärztinnen und bei mir gleichermaßen und inzwischen auch bei dem Mann, der jedenTag die Zeitung bringt.Archie liest die Zeitung natürlich nicht mehr, aber er schaut sie durch und starrt auf die Fotos.
    Heute Nachmittag saß er mit einer Decke über den Knien in seinem alten Sessel. Er sah extrem hager und knochig aus und schaute die ganze Zeit nervös aus dem Fenster. Es war erschreckend, wie schnell sein Zustand sich nach den Schlaganfällen verschlechterte.Vielleicht passiert das, wenn man in ein Heim geht.Würde man mich an so einem Ort unterbringen, säße ich vermutlich binnen einer halben Stunde mit runzligem Gesicht und einer Decke

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