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Nekropole (German Edition)

Nekropole (German Edition)

Titel: Nekropole (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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auch nicht vorgehabt. »Und er endet dort, wo er sich mit anderen Abwasserkanälen vereinigt und in den Tiber fließt.«
    »Das erklärt dann wohl auch, warum einem in der ganzen Stadt so ein lieblicher Duft in die Nase steigt«, sagte Abu Dun. »Obwohl … wenn es die Hinterlassenschaften eures Papstes sind, sollte es dann nicht nach Veilchen und Rosenwasser duften?«
    »Das ist nicht hilfreich, Pirat«, seufzte Andrej und nahm Kasim die Seilrolle ab, um sich das eine Ende um die Hüfte zu binden und mit einem Knoten zu sichern, den er im Notfall mit einem einzigen entschlossenen Ruck lösen konnte. Das andere Ende warf er Abu Dun zu, aber er überzeugte sich nicht einmal davon, dass er es auffing, sondern ging zu Ayla. Ein dünner Stich bohrte sich in sein Herz, als sie vor ihm zurückzuweichen versuchte und von Ali daran gehindert wurde.
    »Du musst mir etwas versprechen«, sagte er.
    Ayla sah ihn nur aus großen Augen an, in denen etwas lag, was ihn beinahe daran gehindert hätte, weiterzusprechen. Als er es doch tat, klang seine Stimme verändert und spendete sicher keinen Trost mehr. »Wenn ich nicht schnell genug bin oder gar nicht zurückkomme, dann bleib bei Abu Dun. Er wird dich genauso sicher beschützen, wie ich es könnte.«
    »Du hast es versprochen«, flüsterte Ayla. Andrej war nicht einmal sicher, ob sie das wirklich gesagt hatte oder er es nur in ihren Augen las, aber er kam sich wie der Verräter vor, der er auch war. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich herum und ging die wenigen Schritte zu Clemens zurück.
    »Was muss ich tun, wenn ich drinnen bin?«
    »Nichts!« Clemens klang erschrocken. »Das Tor lässt sich von innen öffnen, ohne die Falle auszulösen. Das ist alles, was du tun musst. Bitte fass nichts an. Du könntest … großen Schaden anrichten.«
    »Na, das wäre doch wirklich einmal etwas Neues«, stichelte Abu Dun. Er nahm mit leicht gespreizten Beinen neben dem Kanal Aufstellung und schloss sowohl die Finger seiner gesunden als auch die seiner eisernen Hand um das zusammengestückelte Seil.
    »Drei Minuten«, sagte er. »Wenn du dich dann nicht meldest oder mir irgendein Zeichen gibst, dann ziehe ich dich zurück.«
    Andrej nickte nur knapp, versuchte, nicht daran zu denken, wo er da gleich hineinspringen würde, und atmete ein knappes Dutzend Mal schnell und tief hintereinander ein und aus, um sein Blut mit Sauerstoff zu sättigen.
    Dann holte er noch einmal und noch tiefer Luft, schloss die Augen und stieß sich mit aller Kraft ab.

Kapitel 27
    Das Wasser war so eisig, dass sich jeder Nerv in seinem Körper schlagartig in reinen Schmerz verwandelte und jeder Muskel erstarrte. Sein Herz setzte nicht nur einen, sondern gleich mehrere Schläge aus. Hilflos wurde er mitgerissen und so wuchtig gegen die Wände des Kanals geschleudert, dass er beinahe das Bewusstsein verloren hätte. Ein Teil seiner kostbaren Atemluft explodierte in einem Strom silberfarbener Luftblasen aus seinem Mund, als er erneut brutal gegen ein Hindernis geworfen wurde, und möglicherweise hätte er tatsächlich das Bewusstsein verloren, wäre da nicht immer noch der Gedanke an Ayla gewesen und das Versprechen, das er ihr gegeben hatte.
    Das Seil, das er sich um die Hüften gebunden hatte, zog ihn mit einem Ruck wieder in die Strömung zurück. Ein Vorhang winziger Silberperlen erschien vor seinem Gesicht, als erneut Luft aus seinem Mund entwich, und wurde von der Strömung weggerissen, bevor sein Blick ihn richtig erfassen konnte. Ein nadelspitzes Gebiss aus einem Dutzend rostiger Eisenzähne schnappte nach seiner Schulter und fetzte ein gutes Stück aus seinem Hemd, fügte ihm wie durch ein Wunder aber nicht einmal eine Schramme zu, und dann, weit eher, als er erwartet hatte, wurde es vollkommen dunkel rings um ihn herum. Ein weiterer, noch härterer Schlag traf seine andere Schulter, und Panik erwachte wie ein pelziger grauer Ball in seiner Brust und begann lange haarige Beine auszufahren, mit denen sie seine Kehle hinaufkroch. Er wollte schreien, führte sich aber mit dem allerletzten Rest von Vernunft selbst vor Augen, dass das sein sicheres Todesurteil wäre, und unterdrückte den Impuls. Die Atemnot setzte viel früher ein, als er erwartet hatte, und um vieles qualvoller.
    Aber vielleicht war er ja auch nur schon viel länger unterwegs, als er dachte. Auch sein Zeitempfinden war zu Eis erstarrt und von der Strömung davongerissen worden. Sein Herz hämmerte immer schneller. Die Kälte war längst bis in

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