Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nekropole (German Edition)

Nekropole (German Edition)

Titel: Nekropole (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Erinnernswertes zu tun, geschweige denn etwas von Bedeutung.
    Beute.
    »Eminenz?«
    Der Soldat kam zurück, begleitet von zwei weiteren Männern und einer kleinen, ganz in Schwarz gehüllten Gestalt mit verschleiertem Gesicht. Er blieb draußen auf dem Gang stehen, die Hand noch immer auf Aylas Schulter. Sein Gesicht konnte Andrej nicht sehen, doch er spürte, welch große Überwindung es ihn kostete.
    »Ja, das ist tatsächlich noch ein Kind«, sagte der Mann in Rot. »Das ist erstaunlich. Verrätst du mir deinen Namen, mein Kind?«
    Ganz wie Andrej es erwartet hatte, antwortet Ayla nicht, sondern sah ihn durch die schmalen Sehschlitze in ihrem Schleier zornig an. Der Kardinal schüttelte mit einem bedauernden Seufzen den Kopf und trat zu ihr und den beiden anderen Männern auf den Flur hinaus. Nach kurzem Zögern folgten ihm auch die zwei restlichen Soldaten mit der Fackel und zogen die Tür hinter sich zu. Andrej hörte Stimmen draußen auf dem Gang, verstand aber nicht, was sie sagten.
    Es war wieder vollkommen dunkel in dem großen Schlafgemach geworden. Trotzdem wartete Andrej noch einige Augenblicke ab und lauschte konzentriert. Erst dann drückte er behutsam die Tür auf, trat aus seinem theaterreifen Versteck und schlich auf Zehenspitzen zum Ausgang. Er öffnete die Tür ein Stückchen und spähte auf den Gang hinaus.
    Als Erstes beglückwünschte er sich zu seiner Umsicht. Allein durch diesen schmalen Spalt konnte er fast ein halbes Dutzend Soldaten ausmachen, und sein feines Gehör verriet ihm, dass da noch mehr waren. Ayla stand eine gute Armeslänge entfernt und wandte ihm den Rücken zu, sodass er jetzt das Gesicht des Kardinals sah und den misstrauischen Ausdruck darauf.
    »Du musst wirklich keine Angst vor mir haben, mein Kind«, sagte er in diesem Moment. »Niemand will dir etwas zuleide tun, glaub mir. Ich habe nur ein paar Fragen an dich, das ist alles. Willst du sie mir beantworten?«
    Natürlich bekam er keine Antwort. Ganz kurz blitzte Zorn in seinen dunklen Augen auf. Er hatte sich zwar sofort wieder in der Gewalt, aber es war Ayla sicher nicht entgangen. Andrejs Hand schmiegte sich fester um den Schwertgriff.
    »Verstehst du, was ich sage, mein Kind?«, fragte der Kardinal.
    Als er auch darauf keine Antwort bekam, wandte er sich an den Mann, der Ayla mit eisernem Griff festhielt. »Versteht sie mich?«
    »Das weiß ich nicht, Eminenz«, antwortete der Soldat nervös. »Sie hat kein Wort gesprochen.«
    »Das täte ich wohl auch nicht, wenn ich mit Gewalt hergebracht und von einem halben Dutzend bewaffneter Männer mit finsteren Gesichtern bewacht worden wäre«, antwortete der Kardinal leise amüsiert. Er legte den Kopf schräg, sah Ayla einen langen Moment lang nachdenklich an und zwang schließlich ein Lächeln auf seine Lippen.
    »Ja, ich glaube, du verstehst mich«, sagte er. »Und du kannst auch sprechen, habe ich recht? Du tust es nur nicht, weil du Angst hast.« Traurig seufzend schüttelte er den Kopf, ließ sich vor Ayla in die Hocke sinken und sah nun zu ihr hoch.
    »Du musst wirklich keine Angst haben, mein Kind. Verrätst du mir wenigstens deinen Namen?«
    Schweigen.
    »Ja, ich verstehe«, seufzte der Kardinal. »Dann lass mich aber dein Gesicht sehen. Reden können wir später immer noch.«
    Er wollte die Hand ausstrecken, doch der Gardist zog Ayla ein kleines Stück zurück und damit aus seiner Reichweite. »Das solltet Ihr nicht tun, Eminenz«, sagte er hastig. »Es ist wirklich kein schöner Anblick. Und sie … sie hat Berio gebissen, als er ihr den Schleier abnehmen wollte.«
    »Gebissen?« Der Kardinal machte ein beeindrucktes Gesicht. »Sie scheint ja ein ganz besonders gefährlicher Spion zu sein, nicht wahr?« Er lachte leise. »Dann muss ich wohl auch vorsichtig sein, scheint mir.« Er streckte die Hand nach Ayla aus. »Wirst du mich beißen, mein Kind?«
    Andrej zog den
Saif
aus der Scheide, wobei er die Klinge behutsam zwischen Daumen und Zeigefinger hindurchgleiten ließ, um jeden verräterischen Laut zu vermeiden. Wenn er Ayla auch nur ein Haar krümmte – Kardinal oder nicht – dann würde er keine Zeit mehr finden, es zu bedauern.
    »Eminenz, Ihr …«
    Der Soldat verstummte, als ihn ein eisiger Blick des Rotgekleideten traf, und trat mit gesenktem Haupt zurück, und der Kardinal führte seine angefangene Bewegung zu Ende und löste eine Seite von Aylas Schleier.
    Das Mädchen versuchte nicht, nach ihm zu beißen, aber der Mann prallte so entsetzt zurück, als

Weitere Kostenlose Bücher