Nelson, das Weihnachtskaetzchen
sich hinter den Empfangstresen und sah Anna nachdenklich an.
»Wo, sagen Sie, ist Ihr Tier entlaufen?«, fragte sie.
»Am Alexanderplatz. Wahrscheinlich ist Nelson einfach überfahren worden. Aber ich will die Hoffnung noch nicht aufgeben.«
»Vielleicht ist er ja tatsächlich unter ein Auto gekommen. Aber gut möglich, dass er nur verletzt wurde. Wenn Leute ein angefahrenes Haustier finden, bringen sie es häufig zum Tierarzt. Vielleicht sollten Sie da mal nachfragen.«
Anna war sofort hellwach. Auf die Idee war bislang noch keiner gekommen. Es war eine neue Spur.
»Warten Sie, ich habe eine Idee«, sagte die ältere Dame, setzte sich die Lesebrille auf und gab etwas in ihr Laptop ein. Dann nickte sie, drehte den Computer herum, damit Anna den Bildschirm einsehen konnte, und deutete auf die Ergebnisse einer Internet-Suchmaschine.
»Hier, diese Tierärzte haben ihre Praxis in der Nähe vom Alexanderplatz. Ich druck Ihnen die Nummern aus, dann können Sie dort anrufen. Einen Versuch ist es wert.«
Anna war begeistert. Sie nahm das Blatt mit den Telefonnummern in Empfang, bedankte sich überschwänglich und lief eilig zum Parkplatz, wo sie sich in ihren Wagen setzte und die erste Nummer wählte.
»Hier war tatsächlich eine verletzte Katze«, sagte die Sprechstundenhilfe. »Wir wollten sie aber in kein Tierheim geben. Eine Freundin hat eine Katzenpension nicht weit von hier, dort ist sie erst einmal untergebracht. Das Tier war sehr gepflegt. Gut möglich, dass es Ihre Katze ist.«
Anna ließ sich die Adresse der Katzenpension geben und fuhr mit hohem Tempo in die Innenstadt. Die Pension war im Erdgeschoss eines Hauses aus der Gründerzeit untergebracht, unweit des Alexanderplatzes. Ein umfunktioniertes Ladenlokal bot den Katzen eine Zufluchtsstelle. Jenseits der Fenster sah Anna Katzenbäume und Spielwiesen.
Sie trat ein. Die Frau, die sie in Empfang nahm, hatte struppige Haare, trug einen weiten Pullover und schien schon informiert zu sein.
»Sie haben Ihre Katze am Alex verloren, nicht wahr?«, begrüßte sie Anna. »Da haben Sie aber großes Glück, auf uns gestoßen zu sein.«
»Ja, das kann man wohl sagen.« Anna lächelte. Was für ein Glück. Sie konnte nun doch das Versprechen einlösen, das sie Marie gegeben hatte.
Erst als die Frau feierlich sagte: »Sie hat vor ein paar Tagen geworfen. Vier kleine Katzenbabys haben es geschafft. Herzlichen Glückwunsch!«, erst da blieb Anna das Lachen im Hals stecken.
»Geworfen, sagen Sie?«
»Wussten sie denn nicht, dass sie schon so weit ist?« Sie lachte. »Du liebe Güte, ich weiß auch nicht, was los ist. Vor ein paar Monaten hatte ich schon einmal eine herrenlose Katze, die hier ihre Jungen geworfen hat. Ich komme mir langsam vor, als hätte ich eine Katzenentbindungsstation.«
»Aber …« Anna spürte die Enttäuschung. »Dann ist es gar kein Kater?«
Die Frau sah sie erschrocken an. »Sie suchen einen Kater?«
Ein Missverständnis. Die Sprechstundenhilfe hatte Anna offenbar falsch verstanden. Niedergeschlagen ließ sich Anna auf einen Stuhl sinken.
»Das tut mir leid«, sagte die Frau. »Da sind Sie jetzt ganz umsonst hergefahren.«
Doch Anna winkte ab. Sie wollte zweckoptimistisch bleiben. Auf der Liste standen noch so viele Nummern von Tierärzten. Es würde schon einer dabei sein, der Nelson bei sich aufgenommen hatte. Irgendwo musste der Kater ja sein. Und Anna schwor sich, nicht eher aufzugeben, bis sie ihn gefunden hatte.
Die Frau blickte sie mitleidig an. Dann krempelte sie die Ärmel hoch. Ihre zerkratzten Arme kamen zum Vorschein.
»Was halten Sie davon, wenn ich uns einen Kaffee koche?«, fragte sie. »Danach können Sie immer noch mit der Suche fortfahren.«
Anna blickte auf. Die Frau hatte freundliche Augen und ein Gesicht voller Lachfältchen. Genau die Richtige, um sich ein bisschen aufheitern zu lassen. Sie lächelte dankbar.
»Kaffee wäre toll. Danke sehr.«
Danach konnte sie immer noch ihre Suche fortsetzen.
18
Nelson durchstreifte sein neues Zuhause, während Arthur im Bett lag und schlief. Er hatte alle Türen offen gelassen, damit der Kater sich frei bewegen konnte. Lautlos strich Nelson durch die Räume und erkundete alles. Er sprang auf Schränke, um seine neue Welt von oben zu betrachten, jagte hinter dem Scheinwerferlicht vorbeifahrender Autos an der Wand her und kaute auf einer von Arthurs frisch gewaschenen Socken, die er neben der Waschmaschine fand.
Er war zufrieden. Es war ein gutes Zuhause. Arthur wuchs
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