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Nelson DeMille

Nelson DeMille

Titel: Nelson DeMille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Vermächtnis
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»Er ist siebenundzwanzig Jahre alt. Er kann sein eigenes männliches Vorbild sein.«
    Sie wirkte ein bisschen ungehalten, dann betreten und erinnerte mich: »Du weißt doch, wie Edward ist.«
    »Ja, er ist wie ich.«
    »Du bist etwas besser organisiert. Und ich betone, etwas.«
    Susan war eine der zerstreutesten Frauen gewesen, die ich jemals kannte, aber offenbar hatte sie für mehr Ordnung gesorgt, seit ich weggegangen war. Oder war zumindest weniger zerstreut.
    Das Problem war, dass wir uns beide verändert hatten, die Erinnerungen aber nicht, oder die Erinnerungen hatten sich verändert, aber wir nicht. Es dürfte uns beiden noch viel Mühe bereiten, einander so zu sehen, wie wir uns jetzt fühlten, und nicht, wie wir einst gewesen waren.
    Wenn ich das Ganze etwas positiver betrachten wollte, dann fühlte sich Susan auf Anhieb so wohl mit mir, dass sie nicht zögerte, mich auf meine Fehler hinzuweisen und konstruktive Kritik zu üben, wenn nötig. Ihr Werben um mich hatte nur sehr kurz gedauert.
    Sie spürte offensichtlich, woran ich dachte, oder wollte zu ihrer letzten Bemerkung noch etwas hinzufügen, denn sie erklärte mir: »Ich liebe dich trotzdem. Ich liebe deinen jungenhaften Charme, deinen sarkastischen Esprit, deine lästigen Angewohnheiten und sogar deine störrische, nachtragende Art. Ich liebe dich bedingungslos, und zwar seit jeher. Und ich sage dir sogar, weshalb - du sagst die Wahrheit und hast Charakter, was man heutzutage nicht allzu oft erlebt, und du hast Mumm, John. Wenn ich mit dir zusammen bin, habe ich nie Angst.«
    Ich wusste kaum, was ich sagen sollte, aber ich hätte ihrem Vorbild folgen und erwidern können: »Du bist verzogen, völlig realitätsfern, leicht zickig, passivaggressiv und verrückt, aber ich liebe dich.« Das entsprach der Wahrheit, aber weil ich befürchtete, dass sie es falsch verstehen könnte, sagte ich: »Danke.« Ich nahm sie in die Arme. »Ich liebe dich bedingungslos. Das habe ich immer getan und werde es immer tun.«
    »Ich weiß.« Sie legte den Kopf an meine Schulter und sagte: »Das ist wie ein Traum.«
    Ich spürte ihre Tränen an meinem Hals, und wir hielten einander fest. Ich weiß nicht, was sie dachte, aber ich dachte an das Essen mit Anthony Bellarosa.
    28
    Susan hatte die schwierige Aufgabe übernommen, mich zu vervollkommnen, bevor sie mich wieder heiratete. Eine meiner Unvollkommenheiten war meine blasse Haut, worüber sie sich im Schlafzimmer ausgelassen hatte, und ich hatte ihr beigepflichtet, dass ich ein bisschen Farbe brauchen könnte. Deshalb schoben wir zwei Chaiselongues auf dem Patio in die Sonne, zogen uns aus, legten uns nebeneinander und hielten Händchen, ich in meiner Boxershorts, Susan in ihrem Bikinihöschen. Das Radio in der Küche war auf einen Klassiksender eingestellt, und das Chicago Symphony Orchestra unter Leitung von Sir Georg Solti spielte die Ouvertüre zum Fliegenden Holländer.
    Die Sonne fühlte sich gut an auf meiner Haut, die in London sieben Jahre lang kaum Licht gesehen hatte.
    Auf dem Beistelltisch zwischen uns stand eine Literflasche San Pellegrino, die mich an das erste Mal erinnerte, als ich dieses Mineralwasser getrunken hatte, mit Susan, bei unserem Besuch im Haus der Bellarosas. Das zweite Mal war bei einem Festessen mit Frank Bellarosa im Giulio's gewesen, nach unserem Auftritt vor Gericht, bei dem ich Frank auf Kaution freibekommen hatte. Meine vielleicht letzte Flasche San Pellegrino hatte ich ebenfalls im Giulio's getrunken, ein paar Monate später. Das war bei einem geselligen Beisammensein mit unseren Frauen gewesen, und seinerzeit kannte ich mich mit der italienischen Küche schon besser aus, und außerdem war ich mir ziemlich sicher, dass meine Frau, die jetzt neben mir lag, ein Verhältnis mit unserem Gastgeber hatte, der sie praktisch nicht beachtete, aber mir gegenüber sehr zuvorkommend war. Brauchte ich noch mehr Beweise?
    Deshalb war ich bei diesem Beisammensein nicht gerade bester Laune gewesen - immerhin sollte ich als Anwalt den Mandanten aufs Kreuz legen, nicht der Mandant meine Ehefrau - und wenn ich's recht bedenke, hätte ich zu Anna Bellarosa sagen sollen, während sie ihre Cannoli aß: »Ihr Mann fickt mit meiner Frau.«
    Und Anna hätte sich an Susan gewandt und gesagt: »Susan, ich muss... aber Sie...?«
    Bloß ein Witz. Jedenfalls habe ich mich oft gefragt, wie der Abend ausgegangen wäre, wenn ich sie im Giulio's zur Rede gestellt hätte. Wären Frank und ich auf die Straße gegangen,

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