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Nelson sucht das Glück

Nelson sucht das Glück

Titel: Nelson sucht das Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Lazar
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Buch entweicht, war das Aroma der Kojoten wie ein geballter Angriff auf Nelsons und Lucys Geruchssinn. Kojoten rochen sehr ähnlich wie andere Hunde. Für Nelsons Gehirn war Kojote nur eine Variante von Hund. Doch es war die Art von Hund, vor dem Nelson auf der Stelle davongelaufen wäre, weil er von Aggressionen bestimmt war. Er beschwor das Bild von gefletschten Zähnen, von Blut und Schweiß und von nächtlichem Kampfgeschrei in ihm herauf.
    Mindestens zehn Kojoten lebten im Umkreis von Kalispell. Wie Nelson und Lucy waren sie bis zu einem gewissen Grad abhängig von den Menschen, die in der Stadt wohnten. Deren Essensreste waren für die Kojoten die Grundlage ihrer Ernährung. Doch während Nelson und Lucy den menschlichen Kontakt immer noch mochten und des Nachts von einem Leben in einem menschlichen Zuhause träumten, waren die Kojoten wilde Gesellen. Ihr Instinkt warnte sie vor den Menschen, denn sie hätten die Kojoten getötet, wäre dies auch nur halbwegs im Bereich des Möglichen gewesen.
    Bei Nacht streiften die Kojoten oft still und heimlich durch Kalispell und suchten nach etwas zu fressen. Manchmal wurden sie von einem Menschen entdeckt, doch der glaubte oft genug an ein Hirngespinst, denn Kojoten waren besonders geübt darin, wie dunkle Schemen blitzschnell wieder in der Nacht zu verschwinden, als wäre nichts geschehen.
    Kojoten fraßen alle möglichen menschlichen Abfälle sowie kleine Vögel, Ratten und Eichhörnchen. Anders als für Hunde war es für sie ganz normal, kleine Tiere zu erjagen, um sie zu fressen. Manchmal beschlossen sie, sich mit einem Hund ihrer Größe zu paaren, und dann kamen Mischlingswelpen zur Welt. Doch für die kleineren Hunderassen hegten Kojoten nur wenig Verwandtschaftsgefühle. Vielleicht erkannten sie in ihnen durchaus eine Ähnlichkeit mit ihrer eigenen Art, doch das erzeugte in einem Kojoten keine brüderlichen Gefühle. Ein kleines Tier war leicht zu töten und zu verdauen. Diejenigen Menschenfamilien, die wussten, dass Kojoten kleine Hunde gerne anfielen und fraßen, beschützten ihre Haustiere bei Nacht und hielten sie tagsüber hinter undurchdringlichen Zäunen.
18
    Nelson hatte einen Albtraum. Er rannte schnell durch einen dunklen Wald. Irgendwo ganz weit weg winselte und jaulte Lucy, doch er konnte sie nicht finden, konnte nicht zu ihr. Der Geruch des Todes lag in der Luft, und es war der Geruch des alten Mannes, der ihnen jeden Tag etwas zu fressen brachte. Der Wald war dicht, doch es waren keine Gerüche nach Natur da. Nelson hechelte und keuchte, während er durch den Wald lief und nach Lucy suchte. Der durchdringende Geruch, der ihm beim Laufen entgegenschlug, war der Gestank von Kojoten.
    Wenn Menschen träumen, geht manchmal der Inhalt des Traumes eine Verbindung mit der Wirklichkeit ein, sobald der Mensch erwacht. Das Ticken eines Weckers oder das Knarren eines kaputten Fensters im Zimmer werden dann zu Fixpunkten in unseren Träumen, doch sie haben eine andere Bedeutung. Und so war auch der Gestank des Kojoten in Nelsons Traum nicht mit dem Bild eines solchen Tieres verbunden.
    Nelson schreckte aus dem Schlaf hoch und sein Herz schlug schneller, als er von dem Gehsteig aus, auf dem Lucy und er lagen, auf die andere Straßenseite blickte und dort die schlanke, kantige Gestalt eines Kojoten sah, der ihn mit seinen kalten, blauen Augen anstarrte. Einen kurzen Moment lang kam ihm der Kojote unwirklich vor, nur eine Erscheinung in der nebligen Nacht. Während sich Nelson ans Wachsein gewöhnte, war der Kojote zuerst nur wie der Geist eines bösen Hundes, der irgendwo aus den Tiefen von Nelsons Bewusstsein hochstieg, um ihm Angst zu machen. Der kurze Moment, den sich Nelson und der Kojote anstarrten, schien viel länger zu sein als die paar Lidschläge, die er tatsächlich dauerte. Nelson wusste nicht recht, ob er nur Teil seines Albtraums war. Doch als der Kojote auf Nelson und Lucy zustürzte, bestand kein Zweifel mehr daran, dass die Kreatur mehr als real war.
    Man sagt, bei den Menschen seien drei von vier Träumen schlechte Träume, obwohl man unter ihnen nur einen kleinen Prozentsatz als Albträume bezeichnen kann. Bei Hunden verhält es sich ähnlich. Während der Kojote auf Nelson zustürzte, hatte Lucy gerade einen guten Traum. Ihre Nase zuckte, doch irgendwie mied ihr Geruchssinn den Kojotengeruch. Stattdessen träumte sie, mitten in einer wunderschönen Küche zu sitzen, umgeben von der Familie ihrer großen Liebe und den herrlichen Düften guter

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