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Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht

Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht

Titel: Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Nebenzimmer zu gehen und Judith zu wecken, um von ihr eine Zigarette zu schnorren.

 
*
     
    Wie um mich nachhaltig daran zu erinnern, wie ungesund das Rauchen war, meldeten sich meine Kopfschmerzen mit einer stechenden Attacke zurück; nicht so schlimm, dass mir körperlich übel geworden wäre, aber schlimm genug, mich benommen taumeln zu lassen. Rasch ließ ich mich auf die Bettkante sinken, vergrub das Gesicht in den Händen und wartete mit geschlossenen Augen darauf, dass das pochende Hämmern verebbte oder wenigstens auf ein erträgliches Maß zurückging. Das geschah auch, und zwar in umgekehrter Reihenfolge und quälend langsam. Ich fühlte mich hinterher nicht wirklich besser; die Kopfschmerzen waren weg, aber sie hatten ein Gastgeschenk dagelassen — ein Gefühl leiser Übelkeit im Magen und einen Geschmack im Mund, als wäre ich gerade aus einem Fiebertraum erwacht.
    Vielleicht war das ja die Erklärung. Zu behaupten, dass ich mich an diese verdammten Kopfschmerzen mittlerweile gewöhnt hätte, wäre nicht wahr — es gibt Dinge, an die kann man sich nicht gewöhnen, und heimtückische Migräneattacken gehören ganz eindeutig dazu —, aber die Schmerzattacken waren selten so heftig (und vor allem so zahlreich) gekommen wie heute und eigentlich waren sie sonst nie von Alpträumen begleitet. Wahrscheinlich hatte ich mir irgend so einen beschissenen Virus eingefangen: in der zugigen Bahn, auf der Taxifahrt hierher oder während der Expedition mit Carls Nato-olivfarbenem Friedenstaubenjeep hierherauf. Ja. Das musste die Erklärung sein. Sie machte es nicht besser, aber irgendwie doch erträglicher.
    Was nichts daran änderte, dass ich mich erstens hundsmiserabel fühlte und zweitens das ziemlich sichere Gefühl hatte, so schnell nicht wieder einschlafen zu können. Ich sah auf die Uhr, aber auch das erwies sich im Nachhinein als keine wirklich gute Idee: Es war gerade elf vorbei — später Nachmittag, wenn ich meinen normalen Lebensrhythmus zugrunde legte —, und das bedeutete, dass mir mindestens noch sieben oder acht endlose Stunden bevorstanden, ehe die Nacht vorüber war und wir uns alle wieder unten in der Küche trafen. Preisfrage: Wie verbringt man acht Stunden in einem Geisterschloss, in dem es weder Fernseher noch Radio, Video- oder DVD-Player gibt und die Minibar aus einem leeren Sperrholzschränkchen besteht, das schon vor zwanzig Jahren begonnen hatte, aus dem Leim zu gehen? Antwort: Man langweilt sich zu Tode oder sucht sich Gesellschaft. Und das Wichtigste: Diese Gesellschaft war momentan im Besitz der einzigen Schachtel Zigaretten im Umkreis von mehreren Kilometern. Also beschloss ich, meinen begehbaren Kleiderschrank zu verlassen und mich auf die Expedition zu Judiths Zimmer zu machen. Sorgen darüber, dass ich sie wecken und mir damit möglicherweise ihren Zorn zuziehen könnte, machte ich mir nicht. Ich war ziemlich sicher, dass in dieser Nacht keiner von uns gut schlief; wenn überhaupt.
    Vermutlich hätte nicht einmal der Dalai-Lama in einer Nacht wie dieser ruhig geschlafen. Nicht wenn am nächsten Morgen die Entscheidung anstand, ob man als reicher Mann — und ich meine als wirklich stinkreicher Mann — oder frustriert, pleite und um eine Hoffnung ärmer nach Hause ging. Also trat ich an die Tür, streckte die Hand nach dem Griff aus und zögerte dann noch einmal, als mir etwas auffiel.
    Auf dem wackeligen Nachttisch, der sich so schräg gegen das nicht minder wackelige Bett lehnte, dass man nicht sicher sein konnte, wer nun wen stützte und vor dem endgültigen Umfallen bewahrte, standen die rotweißen Coladosen, die Judith früher am Abend für uns organisiert hatte.
    Vielleicht hätten wir die Dinger nicht bei dem zusehen lassen sollen, was wir anschließend getan hatten, denn ganz offensichtlich hatten sie sich vermehrt. Jetzt waren es drei.
    Nachdenklich griff ich nach der dritten Dose und registrierte überrascht, dass sie nicht nur ungeöffnet, sondern auch eiskalt war. Auf dem lackierten Weißblech hatten sich winzige Wassertröpfchen gebildet, sodass ich das Ding kurzerhand dazu benutzte, meinem brummenden Schädel etwas Gutes zu tun, indem ich die Dose langsam über meine Stirn und dann abwechselnd über beide Schläfen rollte. Eine Wohltat; aber auch ein Rätsel, und nicht unbedingt ein angenehmes.
    Drei Dosen? Während ich das Gefühl genoss, mit dem das eiskalte Metall über meine Haut glitt, dachte ich einen Moment angestrengt nach, ohne zu einem wirklich sicheren

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