Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht

Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht

Titel: Nemesis 01 - Die Zeit vor Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
einen Teil unserer Verfolger mitgebracht.
    Es waren jetzt nicht mehr so viele — vier, vielleicht fünf oder sechs —, und obwohl ich ihre Gesichter sonderbarerweise nicht erkennen konnte, spürte ich den Hass, der uns entgegenschlug, wie die Berührung einer eiskalten Hand. Die Gestalten waren klein, schmal und schnell — Kinder —, aber ich wusste dennoch, dass wir chancenlos gegen sie waren; Velociraptoren, die im Rudel jagten und selbst vor einem Tyrannosaurus nicht zurückschreckten.
    Nichts hatte sich geändert.
    Ohne ein Wort fuhr ich herum und stürmte weiter. Aus der Gasse war der weitläufige Innenhof des ehemaligen Internats geworden, aber es gab dennoch nur einen einzigen Ausgang: das Tor, das am oberen Ende der Treppe lag. Es war ebenso verschlossen, wie das am Ende der brennenden Gasse.
    Noch fünfzig Schritte. Vierzig. Dreißig …
    Ich warf einen gehetzten Blick über die Schulter zurück.
    Die Raptoren waren näher gekommen. Sie schienen sich jetzt tatsächlich zu bewegen wie schlanke, tödliche Reptilien. Ich konnte ihre Gesichter noch immer nicht erkennen, aber sie waren schnell, unglaublich schnell. Wir hatten keine Chance!
    Fünfundzwanzig. Zwanzig. Fünfzehn …
    Die Fledermäuse über uns hielten inne, flatterten ein weiteres Mal auf der Stelle herum. Dann setzten sie in steilem Winkel zum Abflug an und schnellten geradewegs auf das Tor zu. Noch einen Moment und sie mussten daran zerschmettern, geflügelte Lemminge, die sich in einen Abgrund aus eisenbeschlagenem Holz stürzten.
    Stattdessen schwangen die schweren Torflügel geschmeidig auf und gewährten den Tieren Einlass.
    Ich bremste scharf ab, beobachtete die bizarre Szene mit ungläubig aufgerissenen Augen und offenem Mund und beschloss dann, mich später darüber zu wundern, was ich gesehen hatte (wenn es ein Später gab). Ich stürmte den Fledermäusen nach und durch das riesige Tor in das Gebäude hinein, in dem uns nichts als absolute Schwärze erwartete. Keine Dunkelheit. Schwärze. Die große Eingangshalle des Internats lag nicht im Dunkeln da, sondern war einfach verschwunden. Selbst das Licht, das durch den Eingang fiel, löste sich auf, als wäre dies das Tor zu einem so vollkommen fremden Universum, dass darin nicht einmal Licht und Dunkelheit existieren konnten, und plötzlich begriff ich, wie grausam ich mich getäuscht hatte.
    Dieses Tor war nicht die Rettung, sondern erst der Anfang des Schreckens. Was immer dahinter auf uns wartete, war ungleich entsetzlicher als alles, wovor wir bisher geflohen waren. Es war nicht der Weg hinauf in die Freiheit, sondern der Abstieg in eine weitere Ebene der Hölle. Dante hatte sich geirrt. Unter dem neunten Kreis der Hölle wartete ein weiterer. Und danach noch einer. Und noch einer. Doch so wenig, wie ich bisher in der Lage gewesen war, unseren Verfolgern zu entkommen, konnte ich jetzt anhalten. Die Torflügel schwangen weiter auf und verschlangen uns, um sich unmittelbar hinter uns ein weiteres Mal wie von Geisterhand in Bewegung zu setzen.
    Keuchend hielt ich inne und wandte mich um. Die Dunkelheit war absoluter als alles, was ich jemals erlebt hatte, aber aus irgendeinem Grund konnte ich das Tor trotzdem sehen; vielleicht nicht einmal wirklich sehen, sondern nur auf eine andere, unheimliche Art wahrnehmen, die nichts mit den normalen menschlichen Sinnen gemein hatte, sodass es auch keine Worte gab, um sie zu beschreiben. Ich sah sie: geisterhaft wogende Umrisse in gespenstischen Farben, die dort lebten, wo sich das Tor befunden hatte.
    Aber es war kein Tor. Das war es nie gewesen.
    Fledermausflügel. Die Torflügel hatten die Form von gewaltigen Fledermausschwingen!
    Ich spürte, wie sich Miriams Hand so fest um meine Finger schloss, dass mir der Schmerz die Tränen in die Augen trieb. Ich wollte mich losreißen, aber es ging nicht. Ich war unfähig, mich zu bewegen, auch nur einen Muskel zu rühren oder in ihr Gesicht zu sehen.
    »Warum tust du das?«, wimmerte Miriam. »Warum tust du mir das an?«
    Das Tor … waberte. Etwas begann hinter den gespenstischen Linien Gestalt anzunehmen, ein … Unnatürlich laute Schritte hallten mir entgegen. Schemen einer weißen Gestalt. Kein Engel …
    Warum tust du mir das an?!
    Mit einer gewaltigen Willensanstrengung riss ich mich vom Anblick dieses letzten, bedrohlichsten Verfolgers los und schlug mit einem keuchenden Schrei die Augen auf.
    Einen Moment lang blieb ich liegen, versuchte, langsam und ruhig zu atmen, und wartete darauf, dass

Weitere Kostenlose Bücher