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Nemesis 04 - In dunkelster Nacht

Nemesis 04 - In dunkelster Nacht

Titel: Nemesis 04 - In dunkelster Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
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war höflich genug, sich nicht anmerken zu lassen, was sie in diesem Moment ganz bestimmt von mir dachte, verzichtete aber darauf, sich wieder schwer auf meine Schultern zu stützen, als wir in mein Zimmer hinübergingen, wo ich verlegen in den wenigen Wäschestücken herumzuwühlen begann, die ich mitgebracht hatte. Plötzlich lachte Judith belustigt auf, trat an meine Seite und angelte mit spitzen Fingern etwas aus meiner Tasche, was ich erschrocken als das Geschenk einer längst verflossenen Liebe, einer Germanistikstudentin mit einer ganz eigenen Vorstellung zu Goethes Farbenlehre, identifizierte: Ein Paar neongelber Boxershorts mit knallroten Känguruapplikationen.
    »Wahnsinn«, grinste Judith, wobei sie den zerknitterten Stoff am Zeigefinger des ausgestreckten Armes baumeln ließ und auf einmal überhaupt nicht mehr fiebrig und geschwächt wirkte. »Der Mann, das unbekannte Universum. Bis heute hätte ich nicht einmal geahnt, dass so etwas auf diesem Planeten existiert.«
    »Das war ein Geschenk ... Ich hätte so etwas nie gekauft ...«, stammelte ich verlegen und griff nach den Shorts, um sie schnell irgendwo ganz weit unten in meiner Tasche verschwinden zu lassen, aber Judith lächelte neckisch und brachte die Shorts hinter ihrem Rücken vor mir in Sicherheit.
    »Aber du trägst sie trotzdem«, stellte sie kopfschüttelnd fest. »Das muss wahre Liebe sein.«
    Ein paar Atemzüge lang starrte ich sie in einer verrückten Mischung aus Scham und Bewunderung an.
    Das schelmische Lächeln auf ihrem Gesicht stand ihr einfach hinreißend, und die Brüste, die mir ein paar Dezimeter tiefer unter ihrem dünnen T-Shirt entgegenzulächeln schienen, waren auch nicht zu verachten. Vor allem aber war ich ihr dankbar, dass sie nicht den nahe liegenden Schluss gezogen hatte, dass ich diese grausamen Shorts tatsächlich keineswegs in stummem Gedenken an Isabelle – das war der Name der etwas eigenwilligen Gönnerin – trug, sondern weil meine Unterwäschebestände eher bescheiden sortiert waren, oder dass sie zumindest den Anstand besaß, das Offensichtliche nicht anzusprechen.
    Unsinn, Quatsch, totaler Nonsens, redete ich mir ein.
    Ich war noch nie einer Frau begegnet, die zu wenig Unterwäsche besaß, und hielt es für nahe liegend, dass sich ein weibliches Geschöpf, das der westlichen Luxusgesellschaft entstammte, eine derartige Notlage überhaupt nicht vorstellen konnte.
    »Hilfst du mir?« Judith lehnte sich an die Wand, lächelte entschuldigend, reichte mir die Boxershorts und wich verlegen meinem Blick aus. Anscheinend hatte sie gerade bemerkt, dass sie es einen Augenblick lang versäumt hatte, die Geschwächte und Hilfsbedürftige zu spielen. »Ich fürchte, ich bin immer noch etwas schwach auf den Beinen«, behauptete sie.
    Kokettierte sie mit mir? Es sah ganz danach aus, aber es konnte mir nur recht sein. Ich griff hastig nach meinen Klamotten, nahm ihr die Shorts ab, nur um sie achtlos auf den Boden fallen zu lassen, und legte stützend meinen Arm um sie. Die Wärme ihres Körpers hatte etwas gleichsam Entspannendes wie Erregendes. Warum war ich nicht schon früher einer Frau wie ihr begegnet? Sie war keine Schönheit fürs Auge, aber eine in ihrem Herzen. Eine Frau, die aller liebenswerten Lausbubenhaftigkeit und manchmal fast kindischen Naivität zum Trotz eine Weiblichkeit und Reife ausstrahlte, wie ich sie bisher in dieser Intensität und vor allem in dieser interessanten, ein wenig verrückten Mischung nicht gekannt und nicht für möglich gehalten hatte. Ich konnte mir vorstellen, dass mein Leben komplett anders verlaufen wäre – geordneter, zufriedener, und trotzdem nicht von der Langeweile und Spießbürgerlichkeit überschattet, vor der ich mich so sehr fürchtete und vor der ich in den vergangenen Jahren in einen fast zwanghaften Jugend- und Abenteuerwahn geflüchtet war.
    »Kannst du mir helfen?«
    Wir hatten den Duschraum erreicht, und Judith hatte sich an eines der großen Waschbecken gelehnt und umständlich ihre Bluse aufgeknöpft, sie aber nicht abgestreift. Ellen hatte ihr den Arm mit einem Schuhriemen abgebunden, und der Schmerz, der aus ihrer Stimme klang, schien echt zu sein. Anscheinend machte ihr die Wunde an ihrem Arm wieder sehr zu schaffen. Dennoch schenkte sie mir ein schüchternes Lächeln.
    Ich trat auf sie zu und nickte langsam, brachte aber keinen Laut über meine plötzlich fürchterlich trockenen Lippen. Auf meiner Zunge breitete sich ein dicker Pelz aus, als mir bewusst wurde,

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