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Nemesis 06 - Morgengrauen

Nemesis 06 - Morgengrauen

Titel: Nemesis 06 - Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
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als Bescheidenheit auslegen und ihr eher hoch anrechnen als verübeln.
    Trotzdem fühlte ich mich von Judith betrogen, ganz egal, ob es so war oder nicht. Ich hatte mich so sicher bei ihr gefühlt wie noch nie zuvor in meinem Leben in Gegenwart eines anderen Menschen, wir waren wie eine Einheit gewesen, Seelenverwandte, die ihr Leben lang nur darauf gewartet zu haben schienen, einander endlich zu finden!
    Ich wollte fort, raus aus dieser Kammer, weg aus dieser Stadt, fort von diesem Kontinent. Australien, Afrika ... Es gab so viele Orte auf dieser Welt, die ich noch nicht gesehen hatte, so viele Menschen, die ich noch nicht kennen gelernt hatte. Verdammt, die Welt war groß, und diese Zelle hier war einfach zu klein für einen Freiheitsfetischisten wie mich! Ich hatte das Gefühl, als rutschten die Wände der kleinen Kammer noch dichter zueinander heran, um mich zwischen sich zu zerquetschen. Ich hätte von Thun fragen sollen, wie schwer diese verfluchte Schussverletzung wog.
    Aber spielte das überhaupt eine Rolle, wenn ich doch ohnehin nur noch drei Tage zu leben hatte, flüsterte eine widerspenstige Stimme in meinem Inneren.
    Vorsichtig richtete ich mich auf der Liege auf. An meinen Beinen gab es keine Verbände und keine Pflaster. Ich würde laufen können, wären da nur nicht diese gottverdammten Messelektroden, die unter den Pflastern fixiert waren. Aufmerksam betrachtete ich die verschiedenen Katheter, die sich in mein Fleisch bohrten wie die Stacheln übergroßer, gieriger Mücken. Sie alle waren mit Chips versehen, die sofort registrierten, wenn man sich daran zu schaffen machte. Es war aussichtslos. Selbst wenn es mir gelingen sollte, einen von ihnen zu entfernen, dann würde durch die anderen Kanülen sofort wieder Betäubungsmittel in meine Adern gepumpt. Es sei denn ...
    Nachdenklich betrachtete ich das Gespinst aus Schläuchen und Drähten und versuchte, einen Überblick über den Wirrwarr zu gewinnen. Eigentlich konnte es nur einen einzigen Schlauch geben, über den das Beruhigungsmittel floss. Wenn ich herausfand, welcher das war und diesen zuerst entfernte, würden die Maschinen mich nicht noch einmal lahm legen können.
    Etliche Schläuche verliefen von den Plastikbeuteln direkt zur linken Seite meines Halses. Krampfhaft versuchte ich die Augen so weit zu verdrehen, dass ich Genaueres erkennen konnte, aber es gelang mir nicht. Um herauszufinden, wo sie endeten, tastete ich vorsichtig mit den Fingerspitzen nach ihnen.
    Allein an der linken Seite meines Halses mündeten drei Schläuche in einen Katheter an meiner Hauptschlagader.

Die Plastikkanüle mit der spitzen Nadel war mit breiten Pflastern fixiert und hatte mehrere Einmündungen, wie ein Rohr, das sich vielfach verzweigte. Ich beschloss, die Finger davon zu lassen. Dunkel konnte ich mich daran zurückerinnern, irgendwann einmal etwas von Schläuchen gehört zu haben, die durch eine große Vene hindurch direkt bis ins Herz geführt wurden, damit die Infusionslösung von dort aus optimal im ganzen Körper verteilt werden konnte. Dieses Ding an meinem Hals musste ein solcher Herzkatheter sein. Weiß der Henker, was geschehen würde, wenn ich daran zog!
    Zwei weitere Infusionsnadeln waren an Venen in meiner rechten und linken Armbeuge angeschlossen, und eine dritte Infusionsnadel steckte in meinem linken Handrücken.
    Ich betrachtete die Apparate, die rings um mein Bett herum aufgestellt worden waren. Auf zweien davon waren große Plastikspritzen aufgesetzt, deren Kolben in Halterungen fixiert worden waren, die es wohl erlaubten, sie sehr langsam voranzuschieben, so dass beständig eine geringe Menge der Flüssigkeit in den Spritzen an mein Blut abgegeben wurde. Das musste es sein! Eines der Geräte war durch ein Kabel mit einem Computer verbunden! Wahrscheinlich wurden die Warnsignale an den Rechner weitergegeben, und dieser sorgte dann dafür, dass eine erhöhte Dosis Beruhigungsmittel verabreicht wurde.
    Ich hatte den Schwachpunkt dieser teuflischen Konstruktion gefunden! Wenn es mir gelang, das Kabel zwischen dem Computer und dem Apparat mit der Spritze herauszuziehen, dann konnte ich verhindern, erneut gegen meinen Willen ruhig gestellt zu werden.
    Langsam setzte ich mich auf. Trotzdem schwindelte mir für einen Augenblick, und außerdem meldete sich ein dumpfer, klopfender Schmerz in meiner Schulter. War das die Stelle, an der die Kugel mich getroffen hatte? Die Kugel, die Carl auf Judith abgefeuert hatte? Ich beschloss, den Wirt umzubringen,

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