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Nemesis 06 - Morgengrauen

Nemesis 06 - Morgengrauen

Titel: Nemesis 06 - Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
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ihre Glieder nicht erschlafft, sondern wie in Krämpfen erstarrt. Mit einer ihrer zierlichen Hände umklammerte sie eines der Stuhlbeine. Jemand hatte ihr eine große Spritze mit einer gewaltigen Nadel in den Rachen gestoßen.
    Mein Blick suchte die Gerätschaften neben meinem Bett.
    Die Spritze mit dem Beruhigungsmittel! Sie fehlte. Natürlich fehlte sie. Schließlich steckte sie im Rachen des Mädchens. Panik griff mit eisigen Fingern nach mir, gehetzt blickte ich mich im Raum um, doch außer den Toten und mir war niemand im Zimmer. Was war hier vorgefallen?
    Der Mörder war hier gewesen, schoss es mir durch den Kopf. Der Mörder, der Stefan, Ed und Maria in der Burg getötet hatte! Er musste mich verfolgt haben, hierher, in dieses seltsame Hospital, in dem Greise von mehr als neunzig Jahren, die kaum noch etwas sahen, praktizieren durften. Aber warum hatte er mich dann am Leben gelassen? Vielleicht war er gestört worden – aber warum war dann niemand anders in diesem Zimmer? Warum hörte ich keinen Alarm? Verdammt, diese Gerätschaften hier hatten zu kreischen begonnen, sobald ich nur den kleinen Finger bewegt hatte, aber nichts hatte den Mörder davon abhalten können, in dieser Kammer zwei Menschenleben auf grauenhafteste Art und Weise auszulöschen. Sie mussten sich doch gewehrt haben! Sie mussten um Hilfe geschrien haben, verdammt noch mal! Wo zum Teufel war ich hier?
    Was war das für ein Krankenhaus?
    Ich tastete mit den Fingerspitzen der rechten Hand über meine Brust. Es war, als berührte ich etwas Totes, etwas, das nicht wirklich zu mir gehörte. Meine Finger strichen über meine Brust, aber ich hatte keinerlei Gefühl. Ich spürte zwar, dass meine Fingerspitzen etwas betasteten, aber meine Brust meldete keinerlei Berührung. Vielleicht hatte der Mörder mich ja gar nicht am Leben gelassen ...
    Quatsch! Ich lebte. Ich fühlte alles, nur eben nicht meine Brust, die zudem stark gerötet war. Wahrscheinlich hatte man mir ein paar Elektroschocks verpasst. Dieser Arzt hatte mich ins Leben zurückgeholt ...
    Und dafür hatte er sterben müssen.
    Ich sollte besser zusehen, dass ich von hier verschwand, und zwar schleunigst. Wenn der Killer es für nötig erachtete, jemanden zu töten, der mir das Leben gerettet hatte, dann war es mehr als nahe liegend, dass er hierher zurückkommen würde. Warum er erst verschwunden war, würde ich ihn dann sicher auch nicht fragen. Letzten Endes war es vielleicht als mein Vorteil zu werten, dass man die Hilfeschreie des Arztes und seiner Begleitung nicht gehört hatte. Hektisch tastete ich nach dem Katheter an meinem Hals. Es gab dort Verschlüsse, also konnte ich die Infusionsschläuche ziehen. Mit zitternden Fingern befreite ich mich von ihnen und versuchte mich aufzurichten, noch während ich den letzten Schlauch zog und den Verschluss zudrückte. Wie empört über die plötzliche Belastung nach langer Zeit der Zwangsruhe knickten meine Beine unverzüglich unter mir weg, noch bevor meine Fersen den Boden tatsächlich berührt hatten. Fort – das war alles, was ich in dem Augenblick, in dem ich hart zwischen den beiden toten Körpern auf dem Boden aufschlug, zu denken in der Lage war. Ich musste fort. Heraus aus diesem Alptraum.
    Keuchend zog ich mich mit der rechten Hand am Bettrand in die Höhe und strauchelte erneut, als ich gegen die starre Hand der Rothaarigen stieß. Mit einem zweiten entschlossenen Ruck, der in meiner Schulter schmerzte, zog ich mich endgültig zurück auf die Füße, taumelte wie betrunken auf die Tür zu, wobei es mir zusätzliche Mühe abverlangte, nicht über die Leiche des Mediziners zu stolpern, und erreichte mein erstes Ziel schließlich schwer atmend und mit rasendem Herzen. Ich musste verrückt geworden sein. Wenn allein der Weg vom Bett zur Tür mich an die Grenzen meiner Kräfte trieb, wie sollte mir dann eine ganze Flucht aus diesem schaurigen Hospital gelingen? Aber ich durfte jetzt nicht aufgeben, redete ich mir gut zu. Möglicherweise würde ich es nicht schaffen.
    Aber dann konnte ich wenigstens in der Gewissheit sterben, bis zuletzt gekämpft zu haben.
    An der Tür angelangt, stützte ich mich einen Augenblick lang am Rahmen ab, um wenigstens ein Minimum an Kraft zu schöpfen und vor allen Dingen zu lauschen, aber da war nichts. Auf der anderen Seite herrschte vollkommene Stille. Trotzdem zögerte ich einen Moment, ehe ich die Klinke drückte und die Tür vorsichtig einen Spaltbreit aufschob, um auf den dahinter liegenden Gang

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