Nemti
von meinen Reisen.« Die Verkrampfung seiner Hände lockerte sich.
»Kann da jeder ran?«
»Die Vitrine ist stets verschlossen. Außerdem gibt es im Observatorium niemanden, der stehlen würde.«
Magisch angezogen, den Kopf leicht vorgebeugt, ging Habermehl um den Schreibtisch herum, um die Vitrine zu begutachten.
»Sind die neu oder gebraucht?«, fragte Lukas.
»Es sind antiquarische Stücke, ziemlich alt. Selbstverständlich sind die mal benutzt worden. Was dachten Sie denn?«
Habermehl stellte sich auf Zehenspitzen vor die Vitrine, die Nase wenige Zentimeter davon entfernt. »Was ist das?« Er tippte vorsichtig gegen das Glas.
»Das Messer mit der gewellten Klinge ist ein Kris, ein Dolch aus Malaysia.«
»Mich würde eher das Ding darüber interessieren, das mit der gebogenen Klinge.«
»Ein Khukuri, das Messer der Gurkhakrieger in Nepal, einer Söldnertruppe im Dienste Großbritanniens zu Kolonialzeiten.«
»Stellen Sie es uns für eine kriminaltechnische Untersuchung zur Verfügung?«
El Hadarys Gesicht verfärbte sich. »Sie verdächtigen mich, der Schlitzer zu sein?«, brauste er auf. »Das ist ungeheuerlich.« Er bekam seine Empörung kaum noch in den Griff.
»Das habe ich mit keinem Wort erwähnt.«
»Brauchen Sie auch nicht.« El Hadary schlug mit der Faust auf den Schreibtisch. Der Hörer fiel vom Telefonapparat. »Mit welchem Recht fragen Sie mich aus?« Er begann mit dem Kiefer zu mahlen und stand kurz davor, den Rest an Selbstbeherrschung zu verlieren.
»Wir müssen fragen. Das ist aber kein Verhör.« Habermehl hob seine Stimme. »Wir haben bestialische Morde aufzuklären. Haben Sie Verständnis für uns, Herr Doktor.« Er versuchte, die Schärfe aus dem Gespräch zu nehmen. »Da draußen läuft ein Mörder herum. Ich will ihn haben, bevor er noch mehr Unheil anrichtet. Es sind schon zu viele unschuldige Menschen gestorben. Deshalb muss ich unangenehme Fragen stellen. Auch Ihnen.«
»Warum gerade mir? Eines noch, Herr Kommissar. Ich bin es leid, bei jeder Gelegenheit Verständnis zeigen zu müssen.« El Hadary schnaufte. »Sie sollten wissen, dass ich koptisch-orthodoxer Christ bin und kein Muslim. Ich weiß um die christlichen Werte.«
»Zur Kenntnis genommen. Stellen Sie uns das Khukuri zur Verfügung?«
»Nicht ohne richterlichen Beschluss. Gehen Sie. Ich habe meine Zeit nicht gestohlen und meine Kooperationsbereitschaft ist erschöpft.«
»Eine Frage noch. Wo kann ich Herrn Gleißner finden?«, fragte Lukas.
»Er hat heute Nachmittag frei. Verschwinden Sie endlich.«
Habermehl steckte den Schlüssel in das Zündschloss, startete den Wagen aber nicht. Nachdenklich blickte er durch die Frontscheibe in die Ferne.
»Was halten Sie von dem Mann?«, ergriff Lukas das Wort.
»Ein undurchsichtiger Typ, selbstherrlich und aufbrausend. Der Charakter gefällt mir nicht.«
»Ich gebe Ihnen recht. Als ich ihn kennengelernt habe, hinterließ er einen angenehmen Eindruck. Ein freundlicher und guter Gesprächspartner.«
»Was ist Ihnen heute besonders aufgefallen, Herr Dux?«
»El Hadary hat unsere Fragen bereitwillig beantwortet, aber abgeblockt, wenn er sich in die Enge getrieben fühlte. Er schaltete komplett auf stur, als Sie ihn um das Messer baten. Von seiner Seite durchaus verständlich. Haben wir eine Möglichkeit an das Khukuri heranzukommen?«
»Nein. Es liegen keine Verdachtsmomente gegen ihn vor.«
Lukas überlegte nicht lange. »El Hadary könnte die graue Eminenz im Hintergrund sein, falls es sie gibt. Wir hatten schon einmal über die Möglichkeit gesprochen, dass der Schlitzer im Auftrag tötet.«
»Wenn er überhaupt etwas mit den Fällen zu tun hat.«
»Soll ich dieser Samira noch einmal auf den Zahn fühlen?«
»Bringt nichts. Sie wird weiter für ihn lügen. Wir konzentrieren uns auf den Einsatz am Donnerstag.« Habermehl fuhr sich mit einem Taschentuch über den Nacken. »Fahren wir.«
Donnerstag, 20. September 2001
H abermehl hatte sich ausbedungen, den Dienstwagen selbst zu lenken. Er behauptete, Weinbrechts verwegener Fahrstil hätte ihm beim letzten gemeinsamen Einsatz zu viele Nerven gekostet. Der Beifahrersitz war normalerweise Weinbrecht vorbehalten. Habermehl hatte jedoch entschieden, dass Lukas aufgrund seiner guten Ortskenntnisse und der langen Beine neben ihm Platz nehmen sollte. Beyer wies er an, sich hinter Lukas zu setzen, da er kleiner war als Weinbrecht. Lukas schob den Sitz ein Stück weiter nach hinten. Trotzdem blieb das
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