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Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Titel: Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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abdrücke. Wie ich seiner Freundin, die damals gelacht hat und jetzt panisch kreischt, den Lauf ins Gesicht schlage. Ich lasse sie leben, aber sie soll, genau wie ich, nie wieder so aussehen wie früher.
    Und wie ich dann das Weinen eines Babys aus dem Nebenzimmer höre und verstehe, dass es mir nicht besser gehen wird, niemals.
    Ich öffnete die Augen. Claudia las weiter Zeitung.
    »Ich habe keine Lust zu leben«, sagte ich.
    »Oh mein Gott.« Sie blätterte um.
    »Schau mich an«, sagte ich. »Jetzt schau mich verdammt noch mal endlich an.«
    »Keine Lust«, sagte Claudia. »Es ist ein furchtbarer Anblick, Männer in Unterhosen am Frühstückstisch.«

    Erst als ich aus dem Fenster die Rücklichter von Claudias Auto gesehen und mich vergewissert hatte, dass sie nicht sofort zurückkam, um ihre Akten oder die Lesebrille zu holen, rief ich Janne zurück.
    »Hier ist Janne«, sagte sie, die Stimme warm und sonnig, ganz das nette, heitere Mädchen von nebenan.
    »Hier ist Marek«, sagte ich. »Danke für deinen Anruf.«
    Keine Ahnung, warum ich das sagte. Schließlich hatte sie praktisch nichts auf den Anrufbeantworter gesprochen, und selbst wenn, wäre es unwahrscheinlich, dass es dankenswert gewesen wäre. Ich ahnte schon, was sie wollte. Sie hatte Sorge, dass ich absprang. Ich hatte das Zeug dazu, das Gesicht des Projekts zu werden.
    Mit ihr zusammen natürlich.
    Tja, Marlon, dachte ich. Du bist vielleicht blind und schön. Aber ich kann meine Fresse als Waffe benutzen. Das zählt ein bisschen mehr. Janne weiß so etwas zu schätzen.
    »Was kann ich für dich tun, Janne?« fragte ich möglichst trocken. Es machte mir Spaß, ihren Namen auszusprechen.
    »Komm doch vorbei«, sagte Janne.
    »Wozu?«
    »Hol mich ab. Wir könnten zusammen zum Treffen gehen.«
    Kommt nicht in Frage, wollte ich antworten. Eine Viertelstunde später rannte ich aus dem Haus, mir mit den Fingern die Haare kämmend, die sich ungewohnt kurz anfühlten, obwohl ich Johanna gebeten hatte, noch viel dran zu lassen.

          Sie wohnte in einem weißen Betonkasten von der Art, die Claudia als »Stadthäuser« bezeichnete. Am Tor hing ein Schild, das Hunden das Kacken verbot. Hinter dem Zaun blühten bunte Blumen mit gezackten Blütenblättern. Im Briefkasten steckte ein Modekatalog.
    Mir fiel zu spät ein, dass ich ihr nichts mitgebracht hatte. Aber jetzt war ich nun mal da. Ich klingelte.
    Es dauerte eine Weile, bis die Haustür aufging und ihre Mutter mir vom Eingang aus zuwinkte. Das Tor summte. Ich ging über den kunstvoll gekurvten Steinplattenweg an den Blumen vorbei zum Haus. Jannes Mutter starrte mir entgegen, ihr Lächeln klebte etwas schief in ihrem Gesicht. Ihr Blick rutschte an mir herunter, verbrannte sich an meiner Hand, die ich sofort in die Hosentasche steckte.
    »Janne«, flüsterte sie. » Der Junge . Für dich.« Und sie trat hastig zur Seite, um mich hereinzulassen.

    Jannes Zimmer war im Erdgeschoss, wo auch sonst. Sie kam mir im Rollstuhl entgegen. Klapp den Mund zu, befahl ich mir selber. Jetzt. Gerade hatte ich ihrer Mutter meinen Namen genannt und die Hand gegeben.
    »Ist Marek nicht ein tschechischer Name?« fragte sie. Sie hielt immer noch meine Hand, als wollte sie mir zeigen, dass sie sich überhaupt nicht vor mir ekelte.
    »Ein slowakischer«, sagte ich. Janne rollte auf mich zu und lächelte. Sie hatte eins ihrer langen Kleider an, diesmal in Blau. Die Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ihre Wangen waren gerötet, als hätte sie gerade Sport getrieben oder sich furchtbar aufgeregt.
    Sie streckte mir ihre Hand entgegen. Ich ließ die ihrer Mutter los und berührte Jannes Finger. Die waren kalt, genau wie ich mir gedacht hatte. Ich drückte sie in meiner Hand zusammen. Ich konnte sie gar nicht mehr zurückziehen, denn jetzt hielt Janne mich fest.
    »Komm endlich.«
    Ich warf ihrer Mutter ein Lächeln zu, das mich entschuldigen und ihr zugleich versichern sollte, dass ich ihre Tochter nicht hinter verschlossenen Türen auffressen wollte. Dass Janne immer noch meine Hand hielt, machte mich wahnsinnig. Im Gegensatz zu ihrer Mutter schien sie eine perverse Freude daran zu haben. Anstatt es zu genießen, hätte ich sie am liebsten angebrüllt: »Was bildest du dir ein? Was für ein faules Spiel spielst du?«
    Endlich ließ sie mich los und rollte vor mir her in ihr Zimmer, das genauso war, wie ich mir ein Mädchenzimmer vorstellte. Ein ziemlich großes Bett, auf dem auch zwei schlafen könnten,

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