Neobooks - Dreck muss weg!
nach dem Plastikchip und erlöste den Wagen von seinen Ketten. Marga saß immer noch auf dem platten Land fest. Zustände waren das. Wozu nach Indien reisen, wenn es Ostfriesland gab? Sie hatte Kalle angerufen und auf die Deutsche Bahn geflucht. »Spätestens morgen früh bin ich wieder zurück in Hamburg. Wenn es sein muss, zu Fuß.«
Zuzutrauen wäre es ihr. Immerhin hatte sie sich gemeldet. Das ging schon in Ordnung. Auch Guntbert war nicht zum Dienst erschienen. Der Flurfunk meldete, er sei beim Kardiologen. Sich bei Kalle abzumelden, war unter Guntberts Würde. Hatte auch sein Gutes. Das Märchen von Margarethe und den sieben defekten D-Zügen hatte Kalle sich also sparen können. Ansonsten traten sie auf der Stelle. Xenia Borg war bisher nur ein Phantomschmerz in Kalles Ermittlerbrust. Die spanischen Kollegen in der Comunidad Valenciana sprachen ein grottenschlechtes Englisch und ein gewöhnungsbedürftiges Spanisch. Valencianisch konnte der Dolmetscher nicht. Kalle kam mit seinem Grundwortschatz Portugiesisch erst recht mit denen auf keinen gemeinsamen Nenner. Europa einig Vaterland. Daraus würde nie was werden. Kalles Magen knurrte. Hungrig einkaufen zu gehen, war eigentlich strengstens verboten. Salz mit Jodid, stand auf Emmas Zettel. Mit Jodid. Immer Extrawünsche. Er stellte zwei Packungen in den Einkaufswagen. Was bereitet Ihnen auf dem Weg zur Arbeit Bauchschmerzen? Das war eine von Gesas Fragen beim Workshop gewesen. War es bloß Hunger? Der Hunger danach, ein Held sein zu wollen? Vor allem diesem Guntbert wollte Kalle es zeigen. Das gestaltete sich jedoch unerfreulich. Nichts gegen den Rechtsstaat, es gab keinen besseren. Doch das wussten gerade Kriminelle besonders zu schätzen. Kalle konnte es nicht ändern. Er hatte versucht, einen richterlichen Durchsuchungsbefehl für die Wohnung von Xenia Borg bei der zuständigen Staatsanwältin zu bekommen. Die zierte sich noch. Xenia Borg schien so etwas wie einen Promibonus zu haben. Sie schrieb Drehbücher fürs Fernsehen, für Daily Soaps und den
Tatort
aus Hamburg. Das Heckenscherenmassaker war auch von ihr gewesen. Da kam sie unmöglich selbst als Täterin in Frage. Logisch. Ein beschissener Montag war das gewesen! Kalle drückte der reifen Birne den Saft ab, die ihm daraufhin aus der Hand glitschte und unter die Obstauslage rollte. Und nie hatte er ein Taschentuch dabei, wenn er es am dringendsten brauchte. Birnen, Bohnen und Speck – Emmas Einkaufszettel nahm kein Ende. Sechshundert Gramm durchwachsenen Speck hatte Kalle an der Fleischtheke geordert. Kartoffeln erledigt. Bohnen und Bohnenkraut und Petersilie ebenfalls. Mussten es unbedingt Bergamotte-Birnen sein, oder gingen auch diese matschigen grünen? Kalle entschied, sich nicht länger mit Fachsimpeleien über Birnen aufzuhalten, und wog fünf Stück ab. Bier fehlte noch. Viel Bier. Und zum Nachtisch wollte Emma heute ihre berühmte rote Grütze servieren. Johannisbeeren, Himbeeren, Kirschen und Erdbeeren, so lecker! Alles Bio aus dem Tiefkühlfach. Gesund leben hatte seinen Preis, und der Strom kam aus der Steckdose. Immer hatte er was zu motzen. Spätestens, wenn es ihn selbst nervte, sollte er vielleicht einfach mal die Klappe halten. Die Schlange endete hinter Kalles Horizont. Nächstes Mal würde er sich einen Campinghocker mitbringen und Piña Colada schlürfen. Kräftig – nach fest kommt ab – zog er an der Schnur, die vor seiner Nase von der Decke des Supermarktes baumelte.
»Wir eröffnen sofort eine weitere Kasse. Danke für Ihren Hinweis.«
Stunden später zahlte Kalle in bar, weil er seine PIN dreimal falsch in das Kartenlesegerät eingegeben hatte. Ohne einen Cent in der Tasche kettete er den Einkaufswagen wieder in seinem Käfig an und steckte den Chip in sein leeres Portemonnaie. So etwas nannte sich wohl Punktlandung.
*
Hamburg-Altstadt
Kalter Nieselregen pinkelte Kalle an, ach, woher denn, die ganze Welt tat das. Die schweren Einkäufe hatte er nach oben geschleppt. Dank der Vorfreude war das ohne Kreislaufkollaps über die Bühne gegangen. Alles eine Frage der Motivation. Dann hatte er jedoch den gemütlichen Familienabend gleich wieder knicken können. Emma, mit einer Plastiktüte auf dem Kopf, hatte er im Badezimmer vorgefunden. Nein, sie wolle sich nicht umbringen, sondern nur die Haare färben. Ach? Seit Jahren hatte sie das nicht mehr getan. Grau sei der neue Schick im Norden, war ihre Devise gewesen. Da steckte dieser Kurt dahinter. Das würde Kalle sich nicht
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