Neobooks - Dreck muss weg!
über den Mittelstreifen der Fahrbahn schrammte und mit überhöhter Geschwindigkeit in die Innenstadt düste.
»Fritz Flemming ist im September letzten Jahres im Krankenhaus St. Georg verarztet worden. Er erschien mit notdürftig versorgter, stark blutender Stichwunde an der Hand. Das war am späten Vormittag. Dazu passt zeitlich ein Notruf bei der Polizei. Ein Augenzeuge hatte einen Überfall gemeldet. Am helllichten Tag seien vermummte Gestalten auf einen Rentner losgegangen. Vermutlich mit einem Messer. Der Zeuge war kurz zum Telefonieren in der Küche gewesen, und als er zurück auf den Balkon kam, sei keiner mehr zu sehen gewesen. So steht es im Einsatzbericht der Kollegen vom Polizeikommissariat PK 11 vom Steindamm. Die Personenbeschreibung der Täter war nur mager. Dabei ist nichts rumgekommen. Das Opfer beschrieb der Zeuge als groß und kräftig, aber betagt, Mitte 70 . Vom Alter könnte das Fritz Flemming gewesen sein. Ist aber reine Spekulation meinerseits. Die Kollegen waren innerhalb von fünf Minuten vor Ort, da hatte sich die Party bereits in Luft aufgelöst. Der Über…«
»Wo ist das passiert?« Kalle nahm Witterung auf.
»Lass mich doch einfach ausreden.«
Am Telefon zeigte Bodo erstaunliches Rückgrat. Da musste er auch niemandem in die Augen schauen.
»Der Überfall ereignete sich in der Nähe des
Salut
auf einem wenig frequentierten Fußgängerweg – an der Rückseite der Wohnhäuser Rostocker Straße entlang des Geländes der Heinrich-Wolgast-Grundschule.«
»Auf wen ist das
Salut
angemeldet?«
»Hab ich noch nicht recherchieren können. Dataport fummelt seit heute Morgen an der Hardware rum, neue Router oder so. Outlook, Intranet, Netzdrucker, alles nicht verfügbar.«
»Na und, wo ist dein Problem? Dann versuch es direkt beim Bezirk. Mitdenken.« Alles musste man selber machen. Kalle öffnete die Tasche. Seine Hand schaufelte durch die Schutthalden wie ein Baggergreifer.
»Ich hab kein Problem. Die zuständige Sachbearbeiterin für das Gewerberegister hat zehn Tage Bildungsurlaub. Ihre Vertreterin ist zu Hause beim kranken Kind und die Vertreterin der Vertreterin in der verlängerten Mittagspause verschollen. Der Sachgebietsleiter hat keine Zugriffsrechte auf die Datenbank. Ich könne gerne vorbeikommen und mir die Akte reinziehen. Und warum er nicht selbst schnell nachsehen könne? Das sei nicht seine Aufgabe. Da käme er ja zu gar nichts mehr.«
Kalle versenkte das Handy in seiner Brusttasche. Er befreite die Nougatcrisp-Schokolade von der Hochglanzverpackung und biss in die weiche Masse wie in eine Scheibe Brot. Er legte das Handy wieder ans Ohr.
»Kalle?«
»Hm.«
»Ich bin froh, kein Verwaltungsmensch zu sein.«
Ein Motorrad brauste an Kalle vorbei. »Was?«
»Ich bin froh, kein Verwaltungsmensch zu sein.«
»Hm.«
»Also, bis dann.«
»Gibt es was Neues von Joris Duncker?«
Bodo hatte bereits aufgelegt. Kalle starrte auf das Display des Handys und drückte auf Rückruf. Nach drei Mal Klingeln meldete sich der Anrufbeantworter: »Sie sind verbunden mit Bodo Steinhoff, Kriminalrat im Dezernat für Todesermittlungen. Zurzeit bin ich nicht im Büro zu erreichen. In dringenden Fällen wenden Sie sich bitte an Kriminaloberrat Bärwolff. Wählen Sie …«
*
Hamburg-Öjendorf, Friedhof
Himmlische Ruhe. Von verschnupften Kriminalräten nichts zu sehen und zu hören. Neulich im tiefsten Tiefschnee-Januar war Kalle seit ewigen Zeiten mal wieder auf einem Friedhof gewesen. Mit Eliza auf dem Ohlsdorfer, dem größten Parkfriedhof Europas. Eliza hatte sich weder den Michel noch Hagenbecks Tierpark und auch nicht das Eisenbahn-Miniatur-Wunderland für ihr Referat über Hamburgs Sehenswürdigkeiten ausgesucht, sondern ausgerechnet einen Friedhof. Die Krabbe interessierte sich für Inschriften von Grabsteinen. Die übten eine geheimnisvolle Macht aus, behauptete sie. Der blanke Horror, wenn sie eine von diesen Gruftis werden würde, die schwarze Messen und Gedöns zelebrierten. Hier auf dem kleinen Friedhof war es recht übersichtlich. Alle Verstorbenen ohne Angehörige wurden in Öjendorf bestattet. Kalle war spät dran, beschleunigte seine Schritte, während sein Blick über die Namen und Daten auf den Grabsteinen glitt.
Ann-Sophie Becker, *13. 04. 1914, † 13. 04. 1982.
Wie bei Petra Flemming, Geburtstag und Todestag waren identisch. Irgendwie hatte das was. Den Hauch des Todes schon im Nacken spüren und noch schnell die Hand nach dem kalt gestellten Sekt ausstrecken,
Weitere Kostenlose Bücher