Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
richtige Haus«, sagte er ins Telefon. »Haben Sie den Hausbesitzer ausfindig gemacht?... Aha ... Nein, Sir, das verstehe ich auch nicht. Ich wäre Ihnen immerhin dankbar, wenn Sie uns auf dem laufenden halten würden, und wir werden das gleiche tun ... Jawohl, Sir. Und vielen Dank für Ihre Mühe und Ihr Verständnis.«
Er legte den Hörer auf und fuhr sich mit den Fingern über die Transplantate auf seinem Schädel.
»Das Haus ist völlig leer«, sagte er.
»Was?«
»Kein Philip Murphy, keine Leiche in der Dusche, keine Klamotten in den Schränken, nichts im Kühlschrank oder in den Schubladen. Die Nachbarn nebenan haben ausgesagt, heute morgen seien ein paar Männer mit einem gemieteten Anhänger dagewesen. Das einzige, was paßt, ist die Tatsache, daß in der Tür der Dusche die Glasscheiben fehlen, und es sieht so aus, als hätte jemand bei der Tür zum Bad ein Stück aus dem Türrahmen gesägt. War da vielleicht ein Stück Blei drin?«
»Stimmt, ich habe mit der ersten Ladung die Türkante erwischt.«
»Ich weiß wirklich nicht, was ich Ihnen sagen soll, Dave.«
»Was ist mit dem Hausbesitzer?«
»Der wohnt in Mobile. Sie haben noch nicht mit ihm gesprochen.«
»Irgendwelche Blutspuren?«
»Der Laden ist völlig sauber. Sie sind also aus der Patsche, jedenfalls vorläufig.«
»Das bedeutet nur, daß es noch mehr von der Sorte gibt. Sie sind wie ein Ameisenheer, das sofort seine Toten beseitigt.«
»Ich bin schon seit zweiunddreißig Jahren bei der Polizei, aber so was hab ich nur ein einziges Mal erlebt, und um die Wahrheit zu sagen, hat es mich damals ’ne ganze Zeit genervt. Vor zirka zweiundzwanzig, dreiundzwanzig Jahren wurde ein mit drei Soldaten besetzter Wagen auf der Tchoupitoulas Street von einem Zug erfaßt. Alle drei wurden getötet, von der Lokomotive völlig zermalmt. Was mich beunruhigt hat, war die Tatsache, daß alle drei Männer Sicherheitsgurte angelegt hatten. Wie groß istschon die Wahrscheinlichkeit, daß bei einem Unfall drei Todesopfer angeschnallt sind? Abgesehen davon, daß Typen, die so vorsichtig sind, sich bestimmt nicht vor einen Zug stellen würden. Wie dem auch sei, damals war Winter, und die drei waren angeblich grade auf Urlaub aus ihrer Kaserne in Fort Dix, New Jersey. Dabei hatten sie so gebräunte Haut, als hätten sie sechs Monate am Strand gelegen. Ich glaube, daß sie längst tot waren, als sie von dem Zug überrollt wurden. Irgend jemand hat sie in dem Wagen angeschnallt und sie dann um drei Uhr morgens auf die Schienen geschoben. Aber natürlich werde ich nie Gelegenheit haben, das zu beweisen, weil die Armee die Leichen beschlagnahmt und sofort abtransportiert hat, und dann hab ich nie wieder von der Sache gehört. Wir sollten uns vielleicht besser morgen früh mit den Leuten vom Schatzamt unterhalten.«
»Die haben die Angewohnheit, immer in eine Art Koma zu verfallen, wenn sie meine Stimme am Telefon hören.«
»Ich werde sie anrufen. Sie haben genau das Richtige getan, als Sie heute abend zu mir kamen, Dave. Die Dinge sehen doch wirklich schon wieder ein bißchen besser aus als vorher, finden Sie nicht auch?«
»Ja, Sir, das stimmt.«
»Da ist noch etwas, was ich Ihnen sagen möchte. Es sieht so aus, als ob die Staatsanwaltschaft die Anklage gegen Sie wegen verdeckten Tragens einer Waffe fallenläßt.«
»Warum das?«
»Es stehen wieder mal Wahlen vor der Tür, das heißt, hartes Durchgreifen ist angesagt. Die werden in den Zeitungen eine große Show abziehen von wegen Glücksspiel und Drogen und wollen natürlich nicht, daß man ihnen vorwirft, sie würden das Geld der Steuerzahler dafür verschwenden, einem Cop ’ne lächerliche Anklage wegen Waffentragens anzuhängen.«
»Sind Sie sicher?«
»Das habe ich jedenfalls gehört. Aber tragen Sie’s nicht gleich auf die Bank. Auf jeden Fall sind die Burschen da drüben auf dem Sprung nach oben und haben für die kleinen Probleme der Polizei nicht besonders viel übrig. Wie dem auch sei – lassen Sie’s noch ’ne Weile ruhig angehen, Dave, hören Sie?«
* * *
Aber mit Angst gewinnt man keine Wette. Man läßt dem Mann am Schlagmal im neunten Durchgang nicht freie Hand, ein Jockey gibt vor der letzten Kehre seinen Platz auf der Innenbahn nicht auf.
Am nächsten Tag hatte es kurz vor Morgengrauen geregnet, und als die Sonne aufging, tropfte das Wasser von den Bäumen an der Carondelet Street und die Luft hing so voll Feuchtigkeit, daß sie fast wie mit rosa Licht durchfluteter Nebel war, der
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