Neonträume: Roman (German Edition)
sagt sie zu mir, du wirst dich ein Weilchen mit ihr amüsieren und dann wirfst du sie weg wie ein benutztes Papiertaschentuch! Und das arme Kind wird immer auf dich warten und unglücklich werden, und weiß der Teufel was alles. Jammert mir eine halbe Stunde lang die Ohren voll!«
» Erstaunlich!«, sage ich. » Zufälle gibt’s! Aber das muss man verstehen. Muttergefühle oder so.«
» Ja genau: oder so. Jedenfalls, letzte Woche bin ich dann nach Kiew geflogen und hab Alina alles erzählt. Dass ich über die Agentur ihrer Mutter eine Frau gesucht habe, dass ihre Mutter rausgekriegt hat, dass wir zusammen sind, dass ich nicht wusste, wer sie ist und so weiter. Ich liebe sie, baue ihr ein Schloss, will sie heiraten und ganz viele Kinder kriegen.«
» Du hast wirklich nichts gewusst?« Das kommt mir irgendwie seltsam vor. » Hast du nicht nachgeforscht?«
» Nein, natürlich nicht! Ich sage dir doch, ich war verknallt wie ein Teenager! Verknallt! So, also ich erzähle ihr alles, und während ich quatsche, sieht sie mich ganz ernst an, gar nicht mehr schüchtern, und dann sagt sie zu mir: Ljocha, mach dir keine Gedanken, ich weiß, dass Mama genau im Bilde ist. Sie will sich einfach ein Scheibchen von der Wurst abschneiden.«
» Wie hat sie das gemeint?«, frage ich.
» Genau so!« Ljocha lässt sich den Wodka jetzt direkt aus der Flasche in den Hals laufen. » Dieses Aas von Mutter wollte ihren Teil von der Wohnung haben! Sagt Alina zu mir: Mama hat doch nicht gedacht, dass du mich heiraten willst! Für sie bist du ein Krake!«
» Ein was?«
» Ein Typ mit häufigen Sexualkontakten zu unterschiedlichen Frauen ohne seriöse Absichten.«
» Ah ja? Und weiter?«
» Na ja, also, solange es nur um ein bisschen Schmuck oder Reisen ging, meint Alina, da hat Mama nichts gesagt. Aber als dann die Wohnung ins Spiel kam, da wollte sie halt den Preis ein wenig nach oben treiben. Kümmer dich einfach nicht darum. Sie ist nun mal sehr geldgierig. Und das erzählt sie mir einfach so eiskalt. Das Mädchen, das ich liebe, meine zukünftige Frau!«
» Scheiße«, sage ich leise.
» Scheiße«, nickt Ljocha. » Du sagst es. Früher haben die Weiber mit ihrer Möse Städte erobert, heute Wohnungen. Times are a-changing.«
Er fängt wieder an zu schluchzen.
» Ich lebe in einem einzigen, stinkenden Morast, Andrej. Soll ich dir einen Rat geben? Nimm dein Mädchen und hau hier ab, und zwar so schnell du kannst! Schnapp sie dir und verschwinde! Jetzt gleich! Du darfst sie nicht an solche Orte mitnehmen, an denen wir uns herumtreiben! Sie ist noch jung und unverdorben, sie hat noch eine Chance. Wenn du auf die Liebe triffst, halte sie fest! Sperr sie in deinem Herzen ein! Versteck sie, und erzähl niemandem davon, lüg, was das Zeug hält, sag allen, dass du genauso ein Arschloch bist wie die anderen. Sonst werden sie deine Gefühle in den Dreck treten und in Fetzen reißen! Sie ertragen es nämlich nicht, wenn jemand nicht so ist wie sie. Sie haben Angst davor, eines Tages zu merken, dass sie alles verkackt haben. Also lauf, hau ab… hau einfach ab!«
Wieder sieht er mich mit so einem irren Blick an, dass es mir wirklich unheimlich wird. Ganz, ganz vorsichtig schiebe ich mich im Krebsgang Richtung Tür.
Immer noch bestürzt und bedrückt kehre ich ins Wohnzimmer zurück. Katja ist nirgendwo zu sehen. Genauso wenig ihre verflixte Freundin! Ich rase in die Küche, aber dort ist außer Igor und Kostja niemand mehr. Die beiden liegen mit geschlossenen Augen auf einem Sofa, und nur ihre im Takt der Musik wippenden Füße beweisen, dass sie nicht schlafen oder tot sind. Ich stelle mich vor sie hin und schaue auf sie herunter. Nach einer Weile öffnet Igor sein linkes Auge einen winzigen Spalt weit, dreht es in meine Richtung und scheint mich zu erkennen, denn er hebt zwei Finger, quasi als Gruß. Beide hören gleichzeitig auf mit den Füßen zu wippen, und Kostja, ohne die Augen zu öffnen, fragt: » Suchst du was?« Er scheint das komisch zu finden, denn er fängt albern an zu kichern.
» Ja, die Liebe, Alter. Ich suche die Liebe. Habt ihr sie zufällig gesehen?«
» Hä?«
» Wo ist Katja?«
» Wer ist das denn?«, fragen sie im Chor.
» Die Frau, mit der ich gekommen bin. Vor einer Stunde habe ich sie euch gezeigt. Wo ist sie?« Ich habe angefangen zu schreien, weil ich begreife, dass sie es in diesem Saustall natürlich nicht mehr ausgehalten hat und einfach gegangen ist. Dieser verdammte Ljocha mit seinem Rotz! So
Weitere Kostenlose Bücher