Neonträume: Roman (German Edition)
uns wieder. » Mach dir keine Sorgen, wir kriegen das schon hin.«
» Gar nichts kriegen wir hin«, lächle ich durch meine Tränen hindurch. » Nie mehr.«
» Ach was.« Er starrt ins Dunkel. Wahrscheinlich begreift er aber selbst, dass es keine Lösung gibt. » Gehen wir zurück?«
» Ja, ja. Ich kann sowieso nirgends mehr bleiben.«
Drinnen im Restaurant steht die Luft. Unser Tisch ist nicht mehr frei, also stellen wir uns an die Bar, zwischen irgendwelche ausländischen Dickwänste in weißen, bis zum Nabel offen stehenden Hemden und spärlichen, aber dafür umso großzügiger gegelten Haarsträhnen. Junge Nutten und alternde Nymphomaninnen umschwirren die Dickwänste wie emsige Bienen. In tiefem Schweigen kippen wir noch einen großen Whiskey. Was gibt es jetzt auch noch zu besprechen?
Mir wird übel. Meine Augen schmerzen, die Übelkeit steigt mir in Wellen in die Kehle, in meinem Kopf beginnt es zu hämmern. Ich werfe zwei Tausender auf den Tresen.
» Komm, lass uns abhauen.«
Anton sieht auf die Uhr.
» Na gut. Aber ich muss Wika abholen.«
» Wo sind die?«
» In der Bar 7.«
» Alles klar. Schnappen wir uns ein Taxi.«
Im Durchgang zur Garderobe steht ein riesiger knallrosa Plüschbär (oder Plüschbiber?) und bietet jedem, der vorbeigeht, ein isotonisches Getränk an.
» Leute, tankt erstmal auf, die Nacht ist noch lang!«, grölt er. » Probiert unseren neuen Energydrink!«
» Danke, kein Bedarf«, brummt Anton im Vorbeigehen.
» Zu jeder Dose von unserem Energydrink gibt es drei Präservative gratis dazu!« Der Plüschbär hält mich am Ellenbogen fest. » Jungs, greift zu, eure Freundinnen werden beglückt sein! Hi, hi, hi!«
» Fick dich ins Knie, du Waschbär!«, raunze ich und mache mich los.
» Warum denn gleich so grob? Oder hältst du nichts von Verhütung?«, gibt der Bär zurück.
» Was sagst du da?«, gehe ich auf ihn los. » Sag das nochmal!«
» Trink einen Energydrink und benutze ein Präservativ, Alter«, lacht der Idiot. » Die Nacht ist noch lang!«
» Du kommst zu spät mit deinen Ratschlägen!« Ich hole aus und knalle ihm die Faust voll auf die Plüschnase. Der Bär taumelt einen Schritt zurück (der Schlag wurde von seinem Kostüm abgefangen) und ich setze mit der Linken nach, direkt in die Grinsezähne. Hinter den Plüschbeissern trifft meine Faust auf etwas Hartes, den Kopf, vermute ich. Der Bär wird gegen die Wand geschleudert, aber es gelingt ihm, mir eine Dose von seinem beschissenen Energydrink an die Stirn zu schleudern. Die Dose platzt auf, und ein Strom von rosafarbener Energybrühe ergießt sich über mich. Ich springe zurück und wische mir mit dem Ärmel das Gesicht ab. In diesem Moment kommt eine von den drei Tussis von vorhin, die rosa Gala, aus der Toilette, und steht plötzlich genau zwischen uns.
» Wow! Was ist denn das für eine Zirkusveranstaltung?«, kreischt sie los– unklar, ob aus Vergnügen oder vor Angst.
Ich kneife die Augen zusammen, fokussiere meinen Gegner und lasse meine Faust nach vorne schießen. Mein Plan war, über Galas rechte Schulter hinweg genau die dumme Fresse von diesem Energybär zu treffen. Dummerweise treffe ich statt dessen Galas Fresse, weil sie sich im falschen Moment zur falschen Seite bewegt. Und Gala, mitsamt ihren Telefonen, Handtäschchen und Champagnerglas, fällt um wie ein Baum, oder besser gesagt, wie ein Besen, dünn wie sie ist. » War die mit dem Glas auf dem Klo?«, denke ich noch, da wirft sich der Bär, meinen Fehlschlag ausnutzend, wütend auf mich. Ineinander verkrallt gehen wir zu Boden, wo wir uns, wild aufeinander einprügelnd, hin und her wälzen. Der Bär muss naturgemäß erheblich weniger einstecken, weil er gut gepolstert ist, während ich schon längst eine blutige Nase habe. Gala steht inzwischen wieder, wie ich aus den Augenwinkeln mitkriege, und lehnt mit wackligen Knien an einer Wand.
» Hilfe!«, schreit sie, während ihr das Blut aus der Nase läuft und sich mit ihrer Kosmetik zu einem bizarren Brei vermischt. » Überfall! Hilfe! Hilft mir denn niemand?«
Ich bin inzwischen auf dem Bären zu liegen gekommen.
» Da, du Scheißkerl, nimm das!«, brülle ich und fange an, seine Birne mit den Fäusten zu bearbeiten. Doch der Bär wirft mich ab, drückt mich mit seiner bloßen Körpermasse zu Boden und fängt seinerseits an, auf meinen Kopf einzuschlagen. Ich halte die Arme schützend vors Gesicht. Wahrscheinlich geben wir einen ziemlich komischen Anblick ab, aber mir kommt es vor
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