Neonträume: Roman (German Edition)
um sich gut zu positionieren, schafft sich Freunde an, um voranzukommen, und schläft mit Frauen, um das Fehlen eines teuren Autos oder einer goldenen AmEx zu kompensieren. Auf diesem Wege finde ich vielleicht in irgendeiner fernen Zukunft den Weg ins Showbusiness, werde supererfolgreich, superreich, superwiderlich.
Und dann kann ich es endlich krachen lassen! Endlich kann ich in Trainingshosen und ausgeleiertem T-Shirt rumlaufen, abgelatschte Turnschuhe tragen und einen schmuddeligen Dreitagebart. Ich schicke eine Million (oder wie viel Sie wollen), die ich mit unserer Platte innerhalb von drei Monaten eingefahren habe, einfach zack in den Gully (bevor ich eine ganze Serie von Platinscheiben abgreife), ich fahre ein paar Autos zu Schrott, von denen jedes 300 000 Euro kostet, fetzte mich hemmungslos mit der gesamten Presse, provoziere einen Eklat im Staatsfernsehen; ich werde mir auf meinen Konzerten öffentlich einen runterholen, anstatt wie bisher in meiner Badewanne, und rufe dabei meinen Tausenden von Anhängern zu: » Rape me!« Ich schicke den Präsidenten von EMI zum Teufel, mache gemeinsame Sache mit Piraten, Internet-Rowdys und allen Arten von asozialen Typen. Ich trete zum Islam über! Unterstütze terroristische Vereinigungen und Greenpeace. Werde Bürgerrechtler! Dissident! Alkoholiker! Vielleicht sogar ein echter Junkie! Ich zerschmettere das System! Es wäre bestimmt gar nicht schlecht, jung an einer Überdosis zu verrecken…
Ich habe Ähnlichkeit mit Justin Timberlake, obwohl ich lieber aussähe wie Jim Morrison. Meine Idole sind Kurt Cobain, Mickey Rourke und Morrissey. Klassische Loser! Na ja, und ein bisschen auch Tupac Shakur, wegen seines Musikstils, in dem ich auch arbeite.
Ich wünsche mir, auch so ein Loser zu sein, aber bisher kann ich mir es einfach nicht erlauben, verstehen Sie?
Ich kämpfe mich durch ein beschissenes Dornengestrüpp, um ein Star zu werden, und wenn ich ein Star geworden bin, kämpfe ich darum, alles zu verlieren und abzuhauen. Zu verschwinden, mich zu verstecken, mich aufzulösen. Nur noch ein Aufdruck auf dem T-Shirt eines Teenagers zu sein…
Meine Hand ermüdet, ich kann das Mikro nicht mehr halten. Ich lasse den Kopf hängen, und eine Träne fällt direkt in mein Whiskeyglas. Die Welt ist totale Scheiße, die Menschen um mich herum erbärmliche Kreaturen. Die Frauen geldgeil, die Freunde nutzlos. Alles ist zum Kotzen.
Ich könnte natürlich einfach so ein Loser werden, jetzt sofort; die Arbeit hinschmeißen und anfangen, richtig zu saufen. Mein Organismus ist jung und stabil, aber wenn ich genug Drogen in den Wodka mische, sollte sich der Prozess deutlich beschleunigen lassen. Wenn man an einer Überdosis verrecken will, muss man nicht erst den beschwerlichen Weg über den Olymp machen, das geht auch einfacher. Es könnte freilich passieren, dass mein Vater mir einen Strich durch die Rechnung macht, mich ins Ausland bringt oder in den Entzug steckt, aber dem kann ich entgehen, indem ich mich nach Petersburg verziehe oder nach Irkutsk. Nein, nach Irkutsk gehe ich nicht, da kenne ich keinen einzigen Menschen…
Es ist, wie es ist: Um als Loser zu verrecken, muss man erst einmal ein paar Millionen Dollar verdienen. Die Voraussetzungen habe ich, nur die Popularität fehlt. Und als unbekannter Loser zu verrecken, ist uncool. Aber anscheinend unvermeidlich. Obwohl ich eigentlich Glück im Unglück habe. Aids ist besser als ein banaler Autounfall. Allerdings, um ehrlich zu sein, habe ich im Moment absolut keine Lust zu sterben, auch nicht an einer Prominentenseuche.
Di e Fete
Tanja Bulanowa beendet ihre Zugabe mit dem Schlager » Licht, du mein helles«, der Applaus ebbt ab, die eifrigen Kellner versorgen die Gäste im Festzelt mit frischem Sushi, die Lichter im Zuschauerraum flammen auf. Fanfaren ertönen, und der Moderator betritt die Bühne.
» Meine sehr verehrten Damen und Herren!«, jauchzt er hingebungsvoll. » Liebe Gäste! In wenigen Sekunden wird eine lang erwartete Überraschung diese Bühne betreten! Aber zuvor gestatten Sie mir, das Mikrofon einem alten Freund unseres Geburtstagskinds zu übergeben, seinem langjährigen Geschäftspartner und mehr noch…« Der Moderator hebt den Blick von seinem Blatt und lässt ihn wirkungsvoll durch den Saal schweifen. Man hört unterdrücktes Kichern. » …und mehr noch– seinem Partner auf dem Fußballplatz! Alexander Iwanowitsch Dobrusin!«
» Was ist denn ein Partner auf dem Fußballplatz?«, fragt Wanja. »
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