Neonträume: Roman (German Edition)
Gangsta-Rap-Gruppe Moskauer Schnee!«, höre ich die Stimme des Moderators. » Viel Spaß!«
» Gangsta-Trash, du Blödmann«, flüstere ich, greife das Mikro und brülle sofort los wie der Kommandeur einer mobilen Einsatztruppe:
» Licht an, Musik aus! Hände an die Wand! Hier kommt der Gangsta-Trash-Clan Moskauer Schnee! Pardon wird nicht gegeben!«
Auf den Bildschirmen startet ein Videoclip mit Bildern von Tupac Shakur, in den unsere Fotos einmontiert wurden.
» Das Recht ist Dreck, schmeiß es weg!«, lege ich los.
» Schmeiß das Recht in den Dreck!«, fällt Anton neben mir ein.
» Das Recht ist Dreck, schmeiß es weg!« Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Anton am DJ -Pult arbeitet.
» Recht ist schlecht, nur ein Knecht blecht!«, kommt Wanja von hinten.
» Das Recht ist Dreck, schmeiß es weg!«, skandiere ich, gehe bis an den Rand der Bühne vor und lasse den Arm in die Luft schießen wie Eminem.
So geht es munter weiter. Beim nächsten Track schieben sich die jüngsten unter den anwesenden Mädels und Jungs zur Bühne vor und versuchen sich in einer Art R&B-Tanzstil. Ein paar sternhagelvolle Daddys tanzen Kasatschok. Das Geburtstagskind und sein Gefolge schauen interessiert zu. Schitikow steht neben ihm und verklickert ihm irgendwas. Larionow nickt mehrmals. Die Frauen an den Tischen in seiner Nähe machen vorwurfsvolle Gesichter. Blöde Heuchlerinnen. Allmählich traut sich auch das reifere Publikum auf die Tanzfläche. Jetzt blasen wir euch Feuer in den Arsch, ihr morschen Kämpen des Vaterländischen Kriegs, lache ich in mich hinein.
Nach ein paar einleitenden Scratches von Anton schieße ich eine dicht gepackte Wortsalve aus unserem Track » Nachtflug« auf die armen Geburtstagsgäste ab:
» Koks in der ersten Klasse, das hat Rasse, London, Paris, New York, alles eine weiße Masse, mal Gras in der Hand, mal Schnaps in der Tasse, wie ich das hasse! Egal wo ich bin, immer dieselben Fressen, mal schwarz, mal weiß, alle abgegessen!«
Plötzlich entsteht im Zuschauerraum eine ungute Bewegung. Alle stehen auf, drängen sich näher an die aufgehängten Monitore, man deutet, gestikuliert, redet aufgeregt durcheinander, einige drehen sich zu Larionow um. Ich sehe Schitikow, der mit aschgrauem Gesicht neben ihm steht. Als ich seinen Blick auffange, läuft es mir eiskalt den Rücken hinunter. Weil ich von meinem Platz aus die Monitore nicht sehen kann, drehe ich mich zu meinen Freunden um, aber die machen weiter wie bisher und scheinen nichts gemerkt zu haben. Larionow steht auf, stützt sich mit den Fäusten auf den Tisch, schaut zu den Monitoren, dann zu mir, bellt ein paar schroffe Kommandos.
Immer weiter rappend, springe ich von der Bühne und schiebe mich zwischen die aufgeregten Gäste. Ich bemerke, wie Schitikow hinter die Kulissen rennt, dränge weiter, erreiche endlich eine Position, von der aus ich die Monitore einsehen kann. Und das, was ich dort sehe, ist nicht weniger als der Weltuntergang. Ein vollständig nackter Andrej Mirkin vögelt hingebungsvoll ein Mädchen, das vor ihm auf einem Tisch sitzt. Das Gesicht des Mädchens ist mit einem schwarzen Balken unkenntlich gemacht, aber ich muss keine Sekunde lang überlegen, um zu wissen, wer das ist. Was ich allerdings nicht weiß, ist, wie mein privater kleiner Porno mit Rita hierhergekommen ist!
Musik und Licht erlöschen, mein Mikro verstummt. Ein Blick zur Bühne lässt mich erstarren: Drei Security-Bullen haben Anton in der Mache, drehen ihm die Arme auf den Rücken. Wanja ist verschwunden. Ich schaue wieder auf die Bildschirme: Gerade dreht sich das Mädchen um, und Mirkin, also ich, nimmt sie sich von hinten vor. Im Saal erhebt sich munteres Gepfeife, jemand (wahrscheinlich Larionow) brüllt: » Schafft mir diese Schweine aus den Augen!« Albernerweise fange ich an darüber nachzudenken, warum man hier tanzende Transvestiten normal, einen anständigen Rap dagegen pervers findet. Dann erlöschen die Bildschirme, und ich weiß, dass es jetzt ernst wird.
Die weiteren Ereignisse könnten direkt aus einem Action-Thriller von Guy Ritchie stammen. Von der einen Seite kommen zwei Security-Typen auf mich zugewalzt, von der anderen Seite torkelt ein besoffener Mini-Manager johlend in Richtung Tanzfläche und gerät ihnen dabei genau vor die Füße. Einer der Bodyguards stolpert über den Mini-Manager und geht zu Boden, der andere fixiert mich wie der Stier den Torero und setzt zum Sprung an. Ohne eine Sekunde nachzudenken, schleudere ich ihm
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