Neonträume: Roman (German Edition)
auf den Diwan. Als ich ihr den Kimono von den Schultern schieben will, hält sie mich zurück.
» Warte!« Seltsamerweise flüstert sie jetzt, wahrscheinlich gehört das zum Liebesspiel.
» Ich kann nicht!«, flüstere ich deshalb ebenfalls.
» Sei doch vorsichtig!« Sie schiebt mich weg und zeigt nach unten. » Lass mich erstmal die Dinger abnehmen.« Sie setzt sich auf, zieht sich sorgfältig die Schaumstoffteile von den Zehen und legt sie akkurat auf den Zeitungstisch. Ja, so sind sie, die modernen Mädchen von heute– wie mittelalterliche Ritter. Um ihren Harnisch abzulegen, brauchen sie eine volle Stunde. Endlich wirft Rita den Kimono ab, ich ziehe mir mein T-Shirt über den Kopf.
» Was hast du denn da für einen Kratzer?«
» Kratzer? Wo denn, mein Häschen?«
» Da!« Sie zeigt auf meine Schulter. Tatsächlich, ein langer dünner Kratzer. Wo kommt der denn her? Ich schätze solche Störfaktoren an meiner äußeren Erscheinung überhaupt nicht, schon gar nicht, wenn sie nicht genehmigt sind.
» Den hab ich mir wohl im Fitness-Studio zugezogen. Glaubst du etwa, ich wäre dir untreu?« Ich kichere dümmlich. » Mein Hase, ich gehöre nur dir und dem russischen Journalismus!« Ich ziehe sie an mich, um sie zu küssen, da klingelt schon wieder ein idiotisches Handy. Sie angelt nach ihrem Kimono, ich nach meinen Jeans. Diesmal ist es meins.
» Was ist denn?«, schreie ich ins Mikro.
» Andrej, ich schicke dir gleich eine SMS ! Es ist wichtig!« Vera, die Chefsekretärin.
» Ich kann jetzt nicht, ich bin mitten im Interview!«
» Ruf die Nummer an, die ich dir schicke, das ist jemand von einem exklusiven VIP -Club, der will sich…«
Ich drücke auf Aus.
» Was war das für eine Frau?«, fragt Rita.
» Arbeit«, sage ich und ziehe sie wieder aufs Sofa.
Beim dritten Versuch kommen wir endlich halbwegs erfolgreich zur Sache. Mein Gott, wie ich es hasse, wenn beim Sex diese beschissene Lounge-Musik dudelt!
Eine Stunde später sitzen wir im Restaurant Fenster.
» Wohin musst du nachher noch?«, fragt Rita und schiebt sich eine Erdbeere in den Mund.
» Ach, ein Termin mit den Besitzern.« Ich nehme einen Schluck Kaffee und verbrenne mir den Mund. » Ziemlich fade Leute. Sie wollen mir eine Beteiligung anbieten. Danach muss ich in die Redaktion, dann habe ich noch ein Interview, und danach noch einen Termin, falls ich es überhaupt schaffe.«
» Ich wollte dir noch etwas Wichtiges erzählen, aber ich hab vergessen, was es war.« Rita kippt die Augen nach oben.
Ist sie etwa schwanger? Ich spüre, wie mein linkes Augenlid anfängt zu zucken.
» Was denn, Häschen?«
» Vielleicht fällt es mir wieder ein. Hör mal, ich finde, du solltest dir allmählich mal ein Auto anschaffen. Wenn du finanzielle Probleme hättest, würde ich es ja verstehen…« Rita leckt ihren Löffel ab. Man sieht förmlich, wie erotisch sie das selber findet. Ich frage mich wieder, woher sie ihr neues Telefon hat.
» Bei deinen finanziellen Möglichkeiten könntest du dir doch einen hübschen fahrbaren Untersatz zulegen. Zum Beispiel einen Porsche Cayman. Dann könntest du mich spazieren fahren…«
» Ich habe es dir doch erklärt, Rita. Der Verkehr hier ist im Vergleich zu Amerika der reinste Horror. Das ist nichts für mich.«
» Du könntest einen Chauffeur anstellen.«
» Klar, damit er rund um die Uhr meine Telefongespräche mithört. Da kann ich ja gleich bei meinen Konkurrenten als Berater anfangen.«
» Dann werde ich dein Chauffeur! Du kaufst den Porsche und ich fahre dich! Das wird toll!«
» Nette Idee«, lache ich. » Allerdings finde ich einen Porsche zu banal. Außerdem werden die Dinger zu schnell geklaut. Besser man kauft sich irgendwas Billigeres, so um die fünfzig-, maximal sechzigtausend.«
» Hurra!« Rita klatscht begeistert. » Ich chauffiere mein Bärchen durch die Stadt!«
Wir küssen uns.
» Ja, wirklich eine hübsche Idee«, nicke ich nachdenklich. » So viel hätte ich zufällig auch gerade flüssig. Mal überlegen.«
» Apropos.« Rita macht jetzt ein ganz ernstes Gesicht. » Ich habe mich endlich entschieden.«
» Wozu denn, mein Häschen?«
» Mir ein neues Auto anzuschaffen.« Sie atmet aus. » Ich kaufe mir einen Lexus IS 250.«
» Schönes Auto«, pflichte ich ihr bei. Und woher hast du die Asche für so ein Teil? Bist du etwa tatsächlich eine Millionärstochter?
» Ich verkaufe meinen alten Mini«, sagt sie, als hätte sie meine unausgesprochene Frage gehört. » Ein bisschen
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