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Neonträume: Roman (German Edition)

Neonträume: Roman (German Edition)

Titel: Neonträume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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Schljachtitsch! Der ist gerade in Moskau, mit seiner neuen Kollektion. Genau, das ist er! Schreib: ›Die Neuentdeckung des Jahres im ukrainischen Fashion Business, der talentierte Jung-Designer Schljachtitsch!‹«
    » Wie soll ich denn › Feschn‹ schreiben? Russisch?«
    » Wie du das schreiben sollst? Auf Englisch natürlich! Wir sind schließlich ein seriöses Printmedium! Hast du schon mal gesehen, dass jemand Fashion auf Russisch schreibt?«
    » Auf dem nächsten Foto sind zwei Männer. Einer mit Brille und Bart, der andere nur mit Brille, ohne Bart.«
    » Trägt der mit Bart einen Schlips?«
    » Hm-hm.«
    » Dann ist es Gafin. Schreib: ›Alexander Gafin mit einem Bekannten.‹«
    » Und wer ist das?«
    » So ein Typ von der Alpha-Bank.«
    » Soll ich das nicht aufschreiben?«
    » Bist du irre? Bei irgendwelchen unbekannten Spießern schreibt man was drunter, die zum ersten Mal so eine Veranstaltung sponsern, damit sie nicht beleidigt sind. Aber Gafin kennt doch sowieso jeder.«
    » Na schön. Auf dem nächsten Bild steht so eine Monsterblondine, mit Wulstlippen und Atombusen, ziemlich arroganter Blick, und neben ihr eine komische Tussi mit einem Hündchen auf dem Arm.«
    » Ah, verstehe. Hm, das muss die Baroness von Schleswig-Holstein sein.«
    » Hab ich notiert. Übrigens, ist das eine echte Baroness? Mit blauem Blut und so was allem? Und wieso sieht die dann so aus wie eine Landpomeranze?«
    » Ganz einfach: Ihr Ur-ur-ur-ur-Uropa war die rechte Hand von Wilhelm dem Eroberer. Im Jahre 1066, nachdem die Normannen England besetzt hatten, hat Wilhelm diesen Uropa mit Ländereien in York, Sussex und pikanterweise auch in Ljublino beschenkt. Im Laufe der Jahrhunderte fielen die Besitztümer in York und Sussex an die englische Krone, aber Ljublino haben sie behalten. Und dort ist unsere Baroness dann im Jahre des Herrn 1958 geboren.«
    » Dann ist sie also Russin? Wie kann sie dann Baroness sein?«
    » Wenn du in ferner Zukunft mal den Prinzen von Äthiopien heiratest, wirst du auch Prinzessin.«
    » Und ihre Freundin? Was soll ich zu der aufschreiben?«
    » Genau das.«
    » Was?«
    » Was fragst du so dumm? ›Baroness von Schleswig-Holstein und ihre Freundin nebst ihrem entzückenden Hündchen.‹ Oder: ›Ihre entzückende Freundin mit Hündchen. Das kommt im Prinzip aufs Gleiche raus.‹«
    » Jetzt kommen wieder Zejtlina und Sinischa, dann zwei Fotos, auf denen zwei dürre Mädels herumhüpfen und die Arme in die Luft recken.«
    » Aha. Schreib: ›Stammgäste in Moskaus Nachtklubs: Mascha und Karina hotten bis in den Morgen ab zur Musik von DJ Alexej Nushdin.‹«
    » Wie hast du die erkannt, ich hab sie doch noch gar nicht beschrieben?«
    » Egal. Hauptsache, sie selbst erkennen sich.«
    » Und wenn sie’s gar nicht sind?«
    » Was spielt das für eine Rolle? Haben wir alle Oligarchen auf den Fotos identifiziert? Alle Filmstars? Müssen wir jede einzelne Braut benennen?«
    » Na ja…«
    » Wer interessiert sich dafür, wer die beiden sind, außer sie selbst?«
    » Aber vielleicht … vielleicht sind das ja die aktuellen Geliebten von großen Ölmagnaten, und du hast sie einfach Mascha und Karina genannt! Das könnte doch peinlich werden!«
    » Ach ja? Dann müssen sich diese Ölmagnaten eben öfter mit ihren Bräuten in der Öffentlichkeit zeigen, damit sie Erkennungswert kriegen. Eins ist doch klar: Wenn ich sie nicht kenne, kennt sie niemand. Und so lange heißen sie Mascha und Karina.«
    » Andrej, hast du nicht Angst, dich zu vertun?«
    » Quatsch. Das ist das Gesetz der Massenmedien, mein Häschen! So wie es geschrieben steht, so ist es auch! Die Hälfte unserer Leser geht sowieso niemals auf solche Partys, für die spielt es überhaupt keine Rolle, ob da Mascha oder Karina rumhüpfen oder vielleicht Wika und Gulja. Ist doch logisch.«
    » Ich überlege gerade«, kichert Vera, » wie lange man sich in der Szene herumtreiben muss, um blind solche Bildunterschriften machen zu können.«
    » Zwei Jahre, aber kompakt«, antworte ich, obwohl es dabei natürlich nicht darum geht, sich herumzutreiben– entscheidend ist die richtige Technik.
    Die Praxis beweist es jedenfalls wieder einmal: Heutzutage kann man alles von seinem Sessel aus regeln– Clubs bauen, seine Beziehungen mit Frauen organisieren, an der Börse spekulieren, Verträge unterzeichnen, Fotos untertiteln, Liebeserklärungen machen. Die Hauptsache ist, man hat eine Flatrate!

Vate r werden
    Ich sitze mit Lena im Pavillon an den

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