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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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und jagten die Harpyien des indischen Dschungels in die ewige Verdammnis der eiskalten Steppe. Mantikor wird er genannt, und dieser Name bedeutet: Menschenfresser.«
    Das letzte Wort kroch wie eine zischelnde Schlange auf die Gruppe zu, die wie ein Wesen zusammenfuhr. Nando jedoch konnte sich nicht abwenden. Er hatte die Stimme des Mantikors in seinen Gedanken gehört, und er sah in den Augen dieses Wesens dessen kühle Intelligenz. Diese Kreatur hatte mehr gesehen, als ein Mensch ertragen konnte, von Grausamkeiten bis zu höchstem Glück. Matradon hatte die Bilder der Folter und der Qual ebenso in der Kälte seines Geistes erstickt wie die Momente der Furcht. Niemals war Nando einem solchen Wesen begegnet, und als der Mantikor sich abwandte und Antonio ansah, staunte er nicht, als beide voreinander den Kopf neigten.
    Sie schienen kurz in Gedanken miteinander zu sprechen, denn Antonio lächelte leicht, ehe er nickte und sich seinen Novizen zuwandte. »Eure Aufgabe für heute Nacht klingt denkbar einfach: Erreicht die Piazzale Napoleone, erlangt eine der Fackeln, die dort auf euch warten – und lasst euch nicht von Matradon fangen. Sein Gift ist schmerzhaft, und wenngleich er mein Freund ist, würde ich niemandem empfehlen, einen seiner Pfeile im Fleisch zu tragen. Diese Aufgabe ist schwerer zu bewältigen, als es den Anschein haben mag, doch sie ist nicht unlösbar. Behaltet euer Ziel im Auge, nur das ist wichtig, und dann werdet ihr es erreichen und euch hinterher fragen, warum es euch zuvor als so schwierig erschienen ist.«
    Antonio trat neben den Mantikor, der mit geneigtem Kopf zu den Novizen hinüberschaute, und hob die rechte Hand. »Ihr habt fünf Sekunden Vorsprung. Traut eurer Stärke – und flieht!«
    Wie von einem Schlag getroffen wichen die Nephilim zurück. Einige erhoben sich in die Luft, andere überzogen ihre Füße mit Eiszaubern und rasten über die Fläche des Sees davon. Nando breitete seine Schwingen aus und hatte gerade das andere Ufer erreicht, als das Brüllen Matradons den See aufwühlte und jedes Eis zerbrach. Kreischend landeten zwei Nephilim im Wasser, Nando warf einen Blick über die Schulter und sah, wie der Mantikor über sie kam. Blitzschnell bohrte sich sein Stachel in ihre Rücken, schwarze Adern überzogen ihre Körper, und sie schrien auf vor Schmerz, ehe sie mit einem Prankenhieb Matradons ans Ufer befördert wurden. Suchend glitt der Blick des Mantikors ins Unterholz, Nando spürte ihn wie eine brennende Lanze durch die Bäume brechen.
    Schnell fuhr er herum und hastete durch den Park, die Schwingen eingezogen und halb geduckt. Matradon glitt über die Wipfel der Bäume und fing jene Nephilim, die sich schutzlos aus ihnen erhoben hatten und auf ihr Ziel zurasten. Ihre Schreie klangen dumpf an Nandos Ohr und trieben sein Blut noch schneller durch seine Adern. Atemlos rannte er weiter, verlor mehr als einmal beinahe das Gleichgewicht und konnte sich mitunter nur knapp vor einem lauten Fall ins Unterholz retten. In einiger Entfernung hastete Ilja durch den Park, dicht gefolgt von Riccardo, Paolo und zwei weiteren Nephilim. Sie hielten sich wie Nando in den Schatten, doch da rauschte es in den Wipfeln der Bäume, und Matradon brach durch die Zweige. Im letzten Moment rollte Nando sich unter einen Busch, die anderen drückten sich hinter den Sockel eines Monuments von Victor Hugo. Paolo, der das Versteck als Letzter erreichte, fand dort keinen Platz mehr, doch statt sich in die Luft zu erheben oder zu fliehen, blieb er einfach stehen. Panik stand in seinem Blick, als Matradon durchs Unterholz auf das Monument zuraste, doch Nando bemerkte auch die Furcht in den Augen der noch verborgenen Nephilim. Verflucht, warum floh Paolo nicht und lenkte die Aufmerksamkeit von den anderen ab? Nando ballte die Faust, dass ihm die Nägel ins Fleisch stachen. Matradon sprang durch die Bäume und verlor seine Eile von einem Augenblick zum anderen. Langsam trat er auf Paolo zu, der dastand wie ein Kaninchen vor der Schlange. Witternd sog er die Luft ein, und Nando wusste, dass er die Versteckten hinter dem Monument riechen würde, wenn er Paolo erst erreicht hatte. Er sah ihre bleichen Gesichter und fühlte die Furcht, die durch ihre Adern pulste.
    Im nächsten Moment spürte er den Stein zwischen den Fingern, sah sich selbst, wie er aus seinem Versteck sprang, und hörte sich schreien: »Ein Menschenfresser magst du sein, aber das liegt nur daran, dass wir Nephilim zu schnell für dich sind!«
    Mit

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