Nephilim
und das Portal erreichen, ja, sie würden sich retten können. Da brach das Licht aus den Augen der Vestalinnen, und noch ehe es Nandos Haut erreichte, brüllte er seinen Zauber, der donnernd aus seiner Faust schoss und sich als schwarzes Feuer der Helligkeit entgegenwarf. Krachend schlugen Licht und Schatten zusammen, und Nando wurde zu Boden gestoßen von der Druckwelle der Explosion, die sich in schwarzen und goldenen Funken im Tempel ergossen. Auch einige Vestalinnen wurden durch die Luft katapultiert, das Licht ihrer Augen erlosch, als sie rücklings gegen die Wände flogen und ihre Körper zu Nebel zerbarsten. Doch ihre Schwestern richteten ihre Blicke ruckartig wie ein gewaltiges Wesen mit zerstreuten Leibern und mehreren Köpfen auf Nando und traten näher zu ihm.
Er wollte aufstehen, doch da zischte ein Kältezauber heran und schlug ihm die Beine unter dem Körper weg. Er schrie auf vor Schmerz, es war, als hätte der Hieb ihm die Knochen zertrümmert. Mit zusammengepressten Zähnen grub er seine Finger in den Staub, schon fühlte er das Licht der Vestalinnen auf seiner Haut. Er durfte nicht aufgeben. Er musste sie aufhalten, so lange er konnte. Entschlossen stemmte er sich auf die Beine, doch gleich darauf traf ihn ein greller Lichtstrahl vor die Brust und schleuderte ihn quer durch den Tempel, bis er auf einem geborstenen Gesteinsbrocken aufschlug. Ihm blieb die Luft weg, hustend drehte er sich auf die Seite und drängte die schwarzen Schlieren zurück, die an den Rändern seines Bewusstseins darauf warteten, ihn mit sich zu reißen. Eine Stimme flüsterte aus den Schatten, er kannte sie gut.
Du kannst nicht gewinnen gegen die Verkommenheit des Lichts , flüsterte der Teufel aus der Ohnmacht, die auf Nando wartete, und er lächelte dabei. Du bist ein Narr, wenn du jene retten willst, die dich verfluchen werden. Und das werden sie, mein Sohn, früher oder später werden sie genau das tun. Sie werden dich ausstoßen, sie werden dich hassen, und sie werden dich wissen lassen, dass du nichts, gar nichts wert bist in einer Welt, die von jenen regiert wird, die sich all dem verschrieben haben, das sie das Licht nennen. In Wahrheit jedoch ist es finsterer als die tiefste Dunkelheit der Hölle. Das wirst du erfahren, bald, schon sehr bald. Und immer noch werde ich dann hier sein – hier in Schatten und Dämmerung, und auf dich warten.
Das lächelnde Gesicht Luzifers flammte vor Nandos innerem Auge auf und brachte ihn dazu, sich trotz seiner Atemnot und Schmerzen herumzuwerfen. Er spürte, dass die Vestalinnen sich näherten, er konnte sich ihnen nicht länger entgegenstellen. Es war, als hätten die Worte des Teufels ihm die letzte Kraft geraubt, und doch … die Nephilim mussten es geschafft haben, das Portal zu erreichen. Sie waren in Sicherheit.
Er hob den Kopf, ein Schrecken flutete seinen Körper, als er die Vestalinnen nur noch wenige Schritte von sich entfernt sah, die Gesichter wachsbleich und eingefallen, als würden sie von grellem Schein durchstrahlt, die Augen in Licht gebrochen wie funkelnde Kristalle, und auf den Lippen das Versprechen, dass alles, was sie ihm antun würden, ebenso schmerzen würde wie das Brechen des Tempels, den er vernichtet hatte. Im nächsten Moment umfassten ihn unsichtbare Klauen, er spürte das Licht aus den Augen der ihm am nächsten stehenden Vestalin. Sein Kopf wurde zurückgerissen, ihm blieb keine Wahl, als in die gleißende Helligkeit zu schauen, doch er sah ihr Gesicht nicht mehr. Schleier aus Licht peitschten auf ihn zu, es war, als würden sie ihm die Haut in Fetzen vom Körper schneiden. Er wollte schreien, doch stattdessen drang etwas in ihn ein, es war der Schrei der Vestalin, der sich in sein Innerstes ergoss und alles in ihm in Flammen setzte. Bilder brandeten in dem Meer aus Feuer auf, Bilder von unbeschreiblicher Grausamkeit, er sah Ozeane aus menschlichen Leibern, die durch reglose Städte fluteten, welkende Blumen, bestäubt mit getrocknetem Blut, und Felder aus Knochen und Schädeln, die im Wind zu Asche und Staub zerfielen. Ewigkeit , hauchte es durch seine Gedanken, und dieses Wort schlang sich um seine Kehle, seinen Brustkorb, schnitt ihm ein Mal auf die Stirn und ließ ihn hilflos in der Finsternis, die das Licht der Vestalin war, wirbelnd und einsam wie ein Blatt im Sturm.
Wie von ferne hörte er einen Laut, eine vertraute und doch fast vergessene Stimme. Das Licht auf seinem Gesicht wurde schwächer, abrupt wichen die Klauen von seiner Kehle,
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